Stadtbibliothek Bergheim – Wir sind dann mal lernen…
„Liebe Kunden! Wir möchten unseren Service für Sie verbessern! Daher bleibt die STADT.BIBLIOTHEK an folgenden Tagen wegen einer Fortbildung des Bibliotheksteams geschlossen…“. Diese Information hat 2010 sicherlich nicht alle Kunden in Bergheim wirklich gefreut, aber das war es uns wert! Wir haben als Ergebnis der fünf Fortbildungsmodule nicht nur einen Facebook-Account angelegt oder twittern und bloggen jetzt, wir haben auch viele wichtige Erfahrungen sammeln können.
Diese lassen sich vielleicht am besten anhand der Definition zum Lernen erläutern, die die teilnehmenden Bibliotheken im Verlauf des Projektes „Lernort Bibliothek“ entwickelt haben.
„Lernen ist die Aneignung und konstruktive Veränderung von Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Einstellungen und Verhaltensweisen durch Verknüpfung von vorhandenem Wissen mit neuen Informationen und Erfahrungen.“
Das Team der STADT.BIBLIOTHEK.BERGHEIM besteht aus zehn Mitarbeiterinnen und zwei Mitarbeitern. Fast alle Altersgruppen sind vertreten, die Altersspanne reicht von 17 bis 61 Jahren. Schon vor dem ersten Schulungstermin, der Einführung in das Thema Web 2.0, hatten wir einen Facebook- und Twitter-Account für die Bibliothek eingerichtet. Es war also bereits etwas Wissen da, der erste Schritt war gemacht. Allerdings mussten wir gleich in der ersten Schulung lernen, dass die Schreibweise „STADT.BIBLIOTHEK.BERGHEIM“ bei Facebook nicht gefunden wird, dass Statusmeldungen über Twitter (Wir haben jetzt dieses oder jenes neue Buch im Bestand) einfach langweilig sind. Gut – also haben wir dieses neue Wissen und die Erfahrungen genutzt und es besser gemacht. Die Bibliothek ist virtuell umgezogen, jetzt unter „Stadtbibliothek Bergheim“ zu finden und tatsächlich entstanden die ersten wirklichen Kommunikationen über Twitter mit Nutzern dieser Plattform. Während die eine Hälfte des Teams nach dem ersten Schulungsmodul am liebsten sofort alles umgesetzt und ausprobiert hätte, stand die andere Hälfte der neuen Web-2.0-Welt zunächst skeptisch bis ablehnend gegenüber. „Alles interessant, aber ich brauche das nicht!“ „Niemals melde ich mich bei Facebook an, ich gebe doch nicht alle Daten preis!“ Im Laufe des Jahres haben sich jedoch die Einstellungen und auch die Verhaltensweisen in der Kommunikation mit den Kunden geändert. Das ganze Team bloggt. Jeder im Team hat abwechselnd eine Woche Blogdienst. Liebevoll werden die einzelnen Beiträge zusammengestellt und wehe jemand anderem fällt etwas ein und der eigene Beitrag rutscht nach unten. Facebook und Twitter werden von einem kleinen Team gefüttert und es heißt immer wieder: „Kannst du das mal posten?“ Oder: „Lasst uns noch ein Foto für Facebook machen!“
„Lernen bedeutet Informationen zu teilen, zu kreieren, zu diskutieren und zu verknüpfen. Lernen bedeutet aktiv zu werden bzw. zu sein. Es setzt Neugier und Motivation beim Einzelnen voraus.“
Na klar sind wir motiviert! Wir wollen Neues entdecken und umsetzen! Ist es tatsächlich so? Das Thema Web 2.0 hat erst nach und nach das gesamte Team in Bergheim erfasst. Die jüngeren Team-Mitglieder waren sofort Feuer und Flamme, alle anderen reagierten eher verhalten oder abwartend. Die Bibliotheksleitung machte die ersten Schritte mit Facebook, Smartphone und Twitter, da waren die Jüngsten im Team schon lange mit einem eigenen Blog in der virtuellen Welt unterwegs. Wir haben voneinander und miteinander gelernt. Als Leiterin der Bibliothek musste ich akzeptieren, dass Informationen plötzlich völlig ungefiltert online gingen. In den ersten „Twitterwochen“ habe ich immer etwas besorgt auf die Tweets geschielt und die eine oder andere Diskussion geführt. Inzwischen haben wir Regeln für den Umgang mit unseren neuen virtuellen Kommunikationskanälen aufgestellt und ich bin sehr viel entspannter geworden.
Ganz wichtig bei den ersten Schritten im Web 2.0 war für uns die Kommunikation mit den anderen Bibliotheken. Wir haben voneinander sehr viel gelernt. Wir haben „abgeguckt“ was bei den anderen gut funktioniert. Wir haben gefragt, diskutiert und ausprobiert und wieder verworfen. Wir sind in Konkurrenz, ziehen aber auch an einem Strang. Wir unterstützen uns und haben ein ganz neues Gefühl von Miteinander, von Vernetzung untereinander. Keine Arbeitsgruppentreffen, Bibliothekskongresse oder andere Fortbildungen haben dieses Gefühl, einer Gemeinschaft anzugehören, so befördert wie die Teilhabe am Web 2.0.
„Ziel allen Lernens ist eine verbesserte Lebensqualität durch erweiterte Handlungsfähigkeit in gesellschaftlichem, beruflichem und privatem Kontext. Lernen ist ein lebenslanger, lebendiger Prozess, der zu einem reflektierten Verhältnis zu sich selbst, zu anderen und der Welt führt.“
Die Fortbildungsmodule haben uns im letzten Jahr nicht nur Facebook, Twitter und das Bloggen nahe gebracht, sie haben uns auch gezeigt, wie die Instrumente des Web 2.0 für die eigene Arbeit genutzt werden können. Wir nutzen den Google-Kalender, doodlen für Termine, veröffentlichen die Protokolle der Dienstbesprechungen im internen Blog, haben jedoch Delicious oder Netvibes in der Prioritätenliste nach hinten geschoben. Web 2.0 in den Alltag, beruflich aber auch privat, zu integrieren heißt, eine Beschleunigungstaste zu drücken. Kommunikation wird schneller, ungefiltert und durchaus auch manchmal fehlerhaft (zu schnell auf die Entertaste gedrückt, der Termin war doch noch nicht mit allen abgesprochen etc.). Als Bibliothek, die auf Kundenkommunikation angewiesen ist, können wir uns nicht leisten, offline zu sein. Als Privatperson ist es uns selbst überlassen, wie intensiv und über welche Kanäle wir uns mit Freunden austauschen wollen. Als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter einer Bibliothek mit Web 2.0 Auftritt vermischen sich private und dienstliche Kommunikation. Wir reagieren auf Kommentare in der Freizeit und am Wochenende, wir posten auch nachts, während der Schließzeiten, immer wenn wir etwas Interessantes entdecken. Wir sind fast immer online.
Wir haben gelernt, diese neue Form der Kommunikation zu nutzen. Wir sind sehr viel spielerischer, wir sind lockerer geworden. Aber nicht alle Teammitglieder wollen ständig online sein. Daher ist es wichtig, sich abzustimmen. Die Pflege der Portale muss in mehreren Händen liegen, um die Kommunikation stetig zu halten. Geht jemand in den Urlaub, ist krank oder vielleicht auch einfach ideenlos, sind Absprachen sehr wichtig. Web 2.0 ist keine One-Person-Show, Web 2.0 in der Bibliothek braucht mehrere Verantwortliche. In Bergheim schreiben die Bibliotheksleitung und zwei junge Mitarbeiterinnen regelmäßig bei Facebook und Twitter. Schreibt jemand aus dem Team längere Zeit nicht, entsteht schnell ein Ungleichgewicht in den Posts. Jeder schreibt anders, legt einen anderen Fokus in die weitergegebenen Informationen. Die Fortbildungen für das Team, deren Inhalte und Ergebnisse haben gezeigt, das „Lernort Bibliothek“ nicht nur die Funktion der Bibliothek für die Kunden beschreibt. Der Lernort, das Lernen hat bei uns stattgefunden. Das Team hat sehr viel gelernt. Die Bibliothek hat sich virtuell geöffnet. Wir alle haben viel Spaß gehabt und Neues ausprobiert. Wir haben im letzten Jahr selbst ganz intensiv erlebt, wie und wann man am besten lernt:
– wenn man sich öffnet
– wenn man Fehler machen darf
– wenn man miteinander diskutiert
Und manchmal muss man auch einfach losrennen und Ideen umsetzen, ohne vorher jemanden zu fragen!
Rita Höft für die STADT.BIBLIOTHEK.BERGHEIM
www.stadtbibliothek.bergheim.de
http://twitter.com/StaBi_Bergheim