David Lee King und Bobbi Newman führen eine sehr interessante Diskussion über den Fokus von Bibliotheken.
Bobbi Newman veröffentlichte den Artikel „Why Libraries Should Look Beyond Library Card Ownership As A Measure of Support”. Ihre Kernaussage war, dass es Menschen gibt, die keine Bibliothek nutzen und sie trotzdem für gesellschaftlich relevant und unterstützungswürdig halten. Bobbi Newman beruft sich auf eine Studie die nahelegt, dass nur 10% der US-Bevölkerung als Bibliotheksliebhaber zu bezeichnen sind, die dann auch alle einen Ausweis haben. Aber deutlich mehr sehen die Relevanz und sind bereit die Bibliotheken zu unterstützen. Sie ruft auf, zu akzeptieren, dass nicht jeder einen Nutzerausweis hat und braucht, aber dann trotzdem diese Gruppe nicht aus den Augen zu verlieren und als Unterstützer zu aktivieren. Sie zitiert einen Vergleich: Jemand besucht einen Nationalpark, einmal, zweimal, öfter oder auch keinmal. Unabhängig vom Besuch/Nutzen sieht er aber den Sinn und den Nutzen des Nationalparks. Unabhängig ob er ihn selbst nutzt, wäre er bereit ihn zu unterstützen.
David Lee King antwortete erst als Post, und dann in seinem Artikel: „Should you Focus on People without Library Cards?“. Seine Einwände:
- Menschen, die die Bibliothek nicht nutzen/keinen Ausweis haben, finden in der Bibliothek kein für sie relevantes Angebot. Sei es nicht sinnvoller, auf diese Menschen zuzugehen und zu versuchen für sie Relevantes anzubieten – so dass sie Nutzer/Bibliotheksausweisbesitzer werden. Mit einem Angebot streng am potenziellen Kunden ausgerichtet und besserem Marketing könne man den Kreis der Bibliotheksnutzer erweitern – damit sieht er dann die Relevanz für sich und wird zum Unterstützer.
- Andererseits stimmt er Bobbi Newman in einem Fall zu: Benutzer-nahe Gruppen sollte man in den Fokus nehmen: Eine der Zielgruppen seiner Bibliothek sind Kinder zwischen 5-10 Jahren. Wen sollte man nicht aus den Augen verlieren? Die Eltern.
- Eine Mischform der Fokussierung ist das 1% Marketing. Eine Fokussierung auf die 1% aktivsten Kunden, die dann wiederum als Multiplikatoren tätig werden (über Mund-zu-Mund-Propaganda, Viral-Marketing -egal wie man es nennt…) hat zwar im ersten Schritt die bereits aktiven Nutzer im Blick. Als langfristige Perspektive steht aber die Gewinnung neuer Kunden.
Bobbi Newman war es wichtig zu betonen, dass die Bibliotheksausweise kein sinnvolles Indiz für Unterstützungsbereitschaft sind. Jemand kann einen Ausweis besitzen und dennoch kaum Unterstützungsbereitschaft haben. Genauso können Nicht-Nutzer gute Unterstützer sein.
Wie sehen Sie das? Ist der Bibliotheksausweis ein gutes Kriterium um den potenziellen Unterstützer zu suchen? Was ist mit den Kunden, welche die Bibliothek nur zum Zeitunglesen oder als Veranstaltungsraum nutzen? Oder die Kunden, die kommen um das freie WLAN zu nutzen? Sind das Kunden bzw. Nutzer?
Wir verkaufen seit einigen Jahren „externe“ Produkte („Shop in Shop“) Dadurch haben wir etwa 20% „Mehrkunden“ (in Anzahl Personen) und auch die Besuchsfrequenz ist um etwa 20% gestiegen, was uns 5% mehr Nettoarbeitszeit während der Öffnungsstunden kostet. Die Zahl der Neuanmeldungen ist im gleichen Zeitraum gesunken. Auf Pi mal Daumen geschätzte 200 Personen, die die Biblibothek zuvor noch nie betreten hatten, die jetzt aber überwiegend regelmäßig kommen, kam eine (1) Neuanmeldung. Trotzdem ist diese Maßnahme ein sehr großer Erfolg im Hinblick auf die Außenwahrnehmungung durch nicht-klassische Bibliotheksnutzer: Indikator sind die Beschwerden, wenn die Bibliothek geschlossen hat. Wenn „externe Käufer“ Kinder mit Büchern Schlange stehen sehen, hagelt es oft positive Kommentare und auch vom Träger gibt es des die Bestätigung positiver Rückmeldungen. Bibliotheksarbeit wird für Bibliotheksfremde plötzlich sehr konkret und anschaulich. Eine abschließende Meinung habe ich nicht, da es im Publikumsverkehr durchaus zu Zielkonflikten im Hinblick auf die Kernaufgaben kommt, für die wir noch keine befriedigende Lösung gefunden haben. Außerdem hat mich diese Erfahrung von der Illusion befreit, dass Nichtnutzer mit aufgabenfremden Marketing zu Nutzern werden könnten, wie es so oft von „Beratern“ empfohlen wird. Mediensozialisation ist da wohl doch etwas komplexer.