„Wir haben einen Aufzug, damit kommen die Nutzer ins Gebäude und auf alle Etagen.“ So oder so ähnlich ist der O’ton, der mir zumeist auf die Nachfrage zur Barrierefreiheit in Bibliotheken begegnet.
Damit ist zwar die Zugänglichkeit unterschiedlicher Stockwerke eines Gebäudes für Menschen mit Gehbehinderungen oder auch Familien mit Kinderwägen gesichert, jedoch umfasst diese Maßnahme nur einen kleinen Teil der barrierefreien Zugänglichkeit.
„Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Hierbei ist die Nutzung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel zulässig.“ So steht es im § 4 des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG).
Was aber bedeutet Barrierefreiheit nun für öffentliche Bibliotheken?
Das Recht auf Teilnahme am kulturellen Leben und das Recht auf Bildung von Menschen mit Behinderung wurden durch das Inkrafttreten der UN-Behindertenkonvention, welche heute vor genau 11 Jahren verabschiedet wurde, als ein zentrales Menschenrecht definiert. Schussfolgernd daraus sollte eine zeitgemäße öffentliche Bibliothek, als kulturelle Bildungseinrichtungen des lebenslangen Lernens für alle Nutzergruppen gleichermaßen zugänglich und nutzbar sein.
Um dieses umsetzen zu können, sollte bereits in der frühsten Planungsphase bei einer Neukonzeption, beim Bau, Umbau oder der Einrichtung einer Bibliothek anhand einer Bedarfserfassung untersucht werden, welche Nutzergruppen in Bezug auf das Thema Barrierefreiheit zu berücksichtigen sind.
Daraus resultiert in der Regel eine Auflistung von Menschen mit unterschiedlichsten Einschränkungen, wie z.B.:
- Nutzer mit Einschränkungen in der Mobilität, egal ob diese dauerhaft oder vorübergehend ist, altersbedingt oder bei einer jungen Familie durch das Mitführen eines Kinderwagens herbeigeführt,
- Nutzer mit Hör- oder Sehbehinderungen,
- Nutzer mit geistigen und Lernbehinderungen,
- alte Menschen, Kinder oder Personen mit Kleinkindern
Und auch der niedrigschwellige Zugang zu Bildung und Kultur ist ein wesentlicher Aspekt des Themas Barrierefreiheit. Schwellenängste von Bibliotheksnutzern aus verschiedenen kulturellen und sozialen Hintergründen sind also ebenfalls zu bedenken.
Die oben zitierte gesetzliche Definition aus dem BGG zeigt uns, dass zunehmend ein Bewusstsein für die barrierefreie Gestaltung öffentlicher Bereiche entsteht.
Öffentliche Bibliotheken gehören zu diesen Bereichen, die durch behindertengerechte Räume, barrierefreie Öffentlichkeitsarbeit, die Etablierung von Gebärdensprache, Blindenschrift und Leichte Sprache Teilhabe für sämtliche Nutzer sichern können.
Wodurch genau können sie das? Um weiteren Beiträgen, welche sich vertiefend mit Aspekten der Barrierefreiheit beschäftigen werden, nichts vorwegzunehmen, möchte ich an dieser Stelle nur einige wenige Maßnahmen nennen, durch welche eine Bibliothek inklusiv und barrierefreier werden kann:
- Die physisch barrierefreie Zugänglichkeit der Räumlichkeiten durch eine stufenlose, kontrastreiche Gestaltung des Einganges und ausreichende Bewegungsflächen im Gebäudeinneren.
- Eine einfache, intuitiv zu verstehende Orientierung in den Räumlichkeiten, unterstützt durch taktile und akustische Systeme.
- Ein Leitsystem nach dem Zwei-Sinne-Prinzip. Hierbei erfolgt die Informationsvermittlung, z.B. zur Orientierung im Raum immer über zwei Sinne gleichzeitig. Gemeint sind die Sinne Tasten, Hören und Sehen. Wenn einer dieser Sinne beeinträchtigt ist, kann er durch einen anderen ausgeglichen werden.
- Zugang zu einem barrierefreien Medienbestand (Großdruck, Brailleschrift, leicht verständliche Sprache, Hörbücher, Videos mit Untertiteln und Audiodeskription…)
- Die Planung barrierefreier Veranstaltungen (z.B. Führungen in einfacher Sprache, in Fremdsprachen oder Gebärdensprache)
- Hilfsmittel anbieten: Lupen, Bildschirmlesegeräte, Vergrößerungssoftware, Mobilitätshilfen, induktive Höranlagen
- Ausstattung durch ein kontrastreich gut erkennbares, stabiles, justierbares Mobiliar. Ausreichend viele Sitzmöglichkeiten, unterfahrbare Tische und Theken, Haltegriffe und niedrige Garderobenhaken…
(Beispielfotos der barrierefreien Gestaltung der Stadtteilbibliothek Oberhausen-Sterkrade)
Sie sehen, die Möglichkeiten sind sehr weitreichend und umfassen neben der physischen Barrierefreiheit im Raum noch weitere Bereiche der Bibliotheksarbeit.
Um den Bedürfnissen aller Nutzer gerecht zu werden, müssen Sie viele verschiedene Faktoren bedenken.
Daher bietet sich, wenn Sie Veränderungen in Ihrer Bibliothek planen, die rechtzeitige Abstimmung dieser Vorhaben mit Verbänden und Vertretern der verschiedenen Nutzergruppen an, z.B. durch Beteiligung der Behindertenkoordination und die Zusammenarbeit mit Behindertenvereinen. Auch Seniorenverbände, Verbände für Menschen mit Lernschwierigkeiten- und behinderungen oder interkulturelle Vereine können Sie in Ihrer Planung unterstützen.
Aufgrund permanenter gesellschaftlicher und auch demographischer Veränderungen, wird eine vollständige oder besser allumfassende Barrierefreiheit wohl nie umzusetzen sein. Barrierefreiheit ist eine Daueraufgabe, welche Sie ständig vor neue Herausforderungen stellen wird, aber auch immer wieder neue Möglichkeiten mit sich bringt. Lassen Sie sich hiervon nicht entmutigen, sehen Sie das Thema der Inklusion und der Zugänglichkeit vielmehr als festen Bestandteil ihrer Gesamtstrategie an.
Ich hoffe, ich konnte mit dieser kleinen Einführung ihr Interesse für das Thema Barrierefreiheit wecken. Mich selber begeistern die Möglichkeiten, die sich heute, besonders durch die Weiterentwicklung der Technik ergeben sehr. Das Ziel eine öffentliche Bibliothek für alle Menschen gleichermaßen zugänglich zu machen, von der inhaltlichen Konzeption, über den Bau und das Design bis hin zu Angeboten und Veranstaltungen ist eine Herausforderung, der ich mich gerne stelle.
Da der Schwerpunkt in meiner Tätigkeit in der Fachstelle für Öffentliche Bibliotheken im Bereich der Innenarchitektur liegt, möchte ich in einem weiteren Beitrag gerne vertiefend auf die physische Barrierefreiheit eingehen. Ein Thema bei dem alleine es schwer fällt ein Ende zu finden.