Das Land Nordrhein-Westfalen unterstützt die Entwicklung Öffentlicher Bibliotheken u.a. durch die finanzielle Förderung von innovativen Projekten. Die Fachstelle für Öffentliche Bibliotheken NRW stellt in lockerer Reihenfolge interessante Praxisbeispiele aus verschiedenen Förderprogrammen in Form von Gastbeiträgen auf ihrem Blog vor. Der vorliegende Beitrag stellt das Projekt „Die Bibliothek als Integrations- und Bildungsort für Flüchtlinge und Personen mit Migrationshintergrund“ vor. Das Projekt hat den Weg einer Bibliothek zum Integrations- und Bildungsort ermöglicht.
Veränderung schafft Handlung
2015 kamen 562 geflüchtete Personen in Kreuztal an, 2016 gab es noch 43 Neuzuweisungen.
Die Volkshochschule in Kreuztal bot im ersten Semester 2016 neun „Deutsch als Fremdsprache“-Kurse (kurz DAF) an (davon zwei Alpha-Kurse) und sechs Integrationskurse (davon ein Alpha-Kurs) im zweiten Semester waren es siebzehn DAF-Kurse und neun Integrationskurse.
Einige der Kurse fanden auch im Gebäude der Stadtbibliothek statt. Hier befindet sich das Kreuztaler Büro der VHS Siegen-Wittgenstein. Viele der an den Kursen interessierten Menschen kamen also in die unmittelbare Nähe der Bibliothek oder gingen sogar durch die Bibliothek in das VHS Büro. Dabei bemerkten sie natürlich die attraktiven Räumlichkeiten der Stadtbibliothek.
Die VHS-Kollegin, die zu dieser Zeit auch noch stundenweise in der Bibliothek arbeitete, vermittelte häufig zwischen VHS und Bibliothek. Oft kamen die Kursteilnehmenden mit ihr in die Bibliothek, um passende Literatur zu ihren Kursen zu suchen. Im Zeitraum vom 1.1.2015 bis Ende 2016 haben sich über 400 Migrantinnen und Migranten, sowie Menschen mit Migrationshintergrund in der Bibliothek angemeldet. Eine genaue Zahl zu nennen, ist der Bibliothek nicht möglich, da aus Datenschutzgründen keine entsprechende Speicherung in der Bibliothekssoftware vorgenommen wird.
Viele geflüchtete Personen fragten direkt bei der Anmeldung nach Sprachkursen oder Wörterbüchern. Das Bibliothekspersonal sah sich vielfältigen Herausforderungen gegenüber. Es galt, Sprachen und Kulturen zu verstehen. Das Landesprojekt sollte auch bei diesen Anforderungen unterstützen.
Medienangebot für Migrantinnen und Migranten sollte verbessert werden
Indem u.a. Sprachkurse und Wörterbücher angeschafft wurden, ist das Medienangebot für die neue Nutzergruppe sehr viel breiter aufgestellt und an den Bedarf angepasst worden.
Da die KundInnen vorwiegend aus Syrien, Afghanistan und dem Irak kamen, waren vor allem Bücher in Arabisch, Kurdisch, Afghanisch-Dari und Afghanisch-Paschtu wichtig. Eigentlich wären sogar insgesamt 32 Sprachen, nötig gewesen, um allen Bedarfen gerecht zu werden. Dies wird je nach Bedarf noch in Zukunft je nach Anfrage von Nutzern oder Mitteilung der VHS ergänzt.
So wurden im Projektzeitraum allein im Bereich „Deutsch als Fremdsprache“ knapp 100 Titel beschafft.
Zusätzliche Regale halfen bei der Orientierung
Diese Bücher wurden in zwei neu beschafften so genannten „Querläufern“ präsentiert. Das hatte den Vorteil, dass die KundInnen nicht lange im Regal suchen mussten, sondern direkt wussten, wo „ihre“ Medien stehen. Damit wurden im Projektzeitraum ca. 250 Ausleihen erzielt.
Ergänzt wurde die Auswahl durch einschlägige Broschüren und Plakate.
Eine Bücherkiste der Firma Litfass Bücher und Medien wurde bei Bedarf an die VHS-Kurse ausgeliehen. Enthalten waren nicht nur Sprachbücher, sondern auch Deutschlandführer, ein Kochbuch und vieles mehr. Die deutsche Lebensart wurde anschaulich näher gebracht.
Mehr als Medien wird benötigt um ins Gespräch zu kommen
Für Kinder wurden fremd- und zweisprachige Kindermedien beschafft. Spiele und Bildkarten ergänzten das Angebot. Hier bedienten sich auch ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer, sowie Lehrkräfte der Willkommens-Klassen.
Mit Bee-Bots, wurden fremdsprachige Kinder zu den Büchern „gelockt“. Sie durften die Funktionen ausprobieren, die man auch ohne die deutsche Sprache zu kennen schnell durchschaut. So kam man dann etwas ins Gespräch, fand heraus, welche Sprache die Kinder sprachen und konnte entsprechende Medien zeigen. Mit Hilfe der Bee-Bots wurden auch Sprachspiele gemacht, so sollten die Kinder beispielsweise die Bots zu einem ausgewählten Feld mit einer Wortkarte darin fahren.
Ein Großteil der jugendlichen und erwachsenen Adressaten war allerdings gar nicht so sehr an Medien als vielmehr am kostenlosen W-LAN und der Möglichkeit, die Computer der Bibliothek zu nutzen, interessiert. Die meisten Personen wählten dementsprechend auch die Einzelgebühr. Mit diesem Bibliotheksausweis konnten sie kostenlos die PCs nutzen. Um dem Bedarf gerecht zu werden, wurden ältere Rechner durch vier neue ersetzt. Auf allen Rechnern der Bibliothek sind Links zu einschlägigen Deutsch-Lern-Programmen. Es wurde aber natürlich auch viel geskypt.
Hilfestellungen nicht nur online optimiert
Auf der Homepage der Stadtbibliothek befinden sich inzwischen regionale und überregionale Hilfestellungen zu verschiedenen Themen, nicht nur zu klassischen Themen wie der Nutzung der Bibliothek und dem Medienangebot. Direkt auf der Homepage der Bibliothek ist der gesonderte Bereich „Netzwerk Geflüchtete“ im Seitenmenü zu finden und hält viele Informationen zum neustart in Deutschland bereit.
Gerade bei Anmeldesituationen wurde oft mit Händen und Füßen gestikuliert, wenn Google Translate nicht (mehr) half.
Hier unterstützte eine neu erstellte Broschüre. Sie sollte ursprünglich mehrsprachig erstellt werden, da aber eine solche Vielfalt an Sprachen vorhanden war, entschied sich die Bibliothek, eine stark bebilderte Variante zu wählen, die außerdem in einfacher Sprache formuliert war. Diese Broschüren wurden u.a. auch in den Sprachkursen verteilt und liegt dauerhaft in der Bibliothek aus. Auch bei Führungen für die DAF- und Integrationskurse wurden diese Broschüren neben einer Power-Point-Präsentation eingesetzt.
Weiterbildung der Mitarbeiter als Schlüssel zur Bibliothek
Das Personal befand sich immer wieder in neuen Situationen: Plötzlich wollten sich Menschen aus Syrien, der Mongolei, aus Albanien und Nigeria anmelden. Erst einmal musste man sich selbst informieren: Welche Sprachen sprechen Syrerinnen und Syrer eigentlich und warum könnte es möglicherweise Konflikte zwischen einzelnen Nationalitäten geben?
In dieser Situation half eine ebenfalls beantragte Fortbildung weiter. Yilmaz Holtz-Ersahin wurde vom ZBIW empfohlen und schulte das gesamte Personal zum Thema „interkulturelle Kommunikation“. Viel geschichtliches Wissen, gemischt mit praktischen Tipps half zu größerer Souveränität bei den Kolleginnen aus Kreuztal und Hilchenbach (Kooperation innerhalb des Projekts). Die Führungen der Integrationskurse wurde zwar weitestgehend durch eine Kollegin durchgeführt, aber besonders in der Anfangsphase des Projektes bedarf es viel Hilfe der Kollegen bei der Mediensuche und den Ausleihformalitäten.
Nun konnte man möglichen Fettnäpfchen ausweichen, Begründungen für vorhandene Regeln überzeugender vertreten und verstand auch manche Verhaltensweise besser.
Fazit
Insgesamt ist die Bibliothek durch die vielen Neuanmeldungen aus anderen Ländern bunter geworden. Die Präsenznutzung hat sich erhöht, viele Computer sind fast den ganzen Tag besetzt. Auch der Gaming Raum wird von den jungen AsylbewerberInnen gerne genutzt.
Die VHS-DozentInnen kommen mit ihren Sprachkursen zu Führungen und so lernen die Geflüchteten deutsche „Bibliothekskultur“ kennen. Auch Bündnisse wie der „Runde Tisch Eichen-Krombach-Littfeld“ besuchen die Bibliothek. Die Ehrenamtlichen informieren sich zusammen mit den neu Zugezogenen über die Angebote der Bibliothek.
Die Bibliothek ist im Verteiler des Netzwerkes Sprache und bietet dort ihre Angebote an. Die hohe Zahl der Betreuerinnen und Betreuer nutzt gerne das Angebot an Literatur und Spielen. Die Bibliothek berät die zuständige Kollegin aus dem Rathaus, wenn es um Medienlisten geht. Sie stellt Bücherkisten für alle Schulformen zum Thema „Deutsch lernen“ und „leichte Sprache“ zusammen. Um die Nachhaltigkeit zu fördern wird weiterhin an der Präsentation der Medien optimiert. Beispielweise soll das Leitsystem durch eine angemessenere Beschriftung erweitert werden.
Für viele Personen ist die Bibliothek Integrations- und gleichzeitig Bildungsort geworden.
Die Stadtbibliothek stellt sich vor:
Kreuztal liegt im Süden von Arnsberg, ist dem Kreis Siegen-Wittgenstein angehörig. Den 32.654 Einwohnern (Stand 31.12.2016) der Stadt Kreuztal, wird von der Bibliothek ein umfassendes Angebot und eine neu gestaltete Aufenthaltsfläche zur Verfügung gestellt. Der vor kurzem neu eingerichtete Gaming-Bereich ist besonders für die Kinder und Jugendlichen Interessant die durch die vielfältigen Bildungspartnerschaften der Stadtbibliothek den Weg in die Bibliothek finden. Neben Medien und der Aufenthaltsfläche bietet die Stadtbibliothek Hilfestellung durch 10 Mitarbeiter die auf 5,5 Stellen verteilt arbeiten.
Weitere Informationen auf der Webseite der Bibliothek unter: http://www.stadtbibliothek-kreuztal.de/
Ansprechpartner:
Kristin Krässel
Stadt Kreuztal – Sachgebiet Bibliothek
Marburger Str. 10
57223 Kreuztal
E-Mail: K.Kraessel[at]kreuztal.de