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Auskunftsdienst oder von der Kunst mit dir zu sprechen

„Ähhm, Entschuldigung… Entschuldigung, ich hätte da mal eine Frage…“ ich versuche einen Blick auf den Kopf hinterm Bildschirm zu erhaschen. „Moment“ kommt es bestimmt und etwas genervt aus dem Off zurück. Keine Frage, diesem Ton ist Folge zu leisten. Etwas unbeholfen stehe ich nun vor dieser Theke und schaue auf den Bildschirm runter. Dahinter sitzt jemand. Ich bin mir ziemlich sicher, dass dort jemand sitzt. Woher ich das weiß? Ja, ich bin kein Anfänger mehr: Unter dem Tisch konnte man von weiter hinten zwei Füße sehen, so dass ich bei meinem Anmarsch schon zielgerichtet den richtigen Tisch genommen habe. Und jetzt warte ich. Und warte. Beim Studieren der Bildschirmrückseite fällt es mir auf: Dort sitzt wirklich jemand! Über dem Bildschirm sehe ich ein Haarbüschel hin und her wackeln. Etwas links, etwas rechts, links, rechts… Nach dem ersten Triumph („ich hatte recht mit dem Tisch!!“) kam dann plötzlich doch der Unmut. Was mache ich hier eigentlich?!? „Ähm entschuldigen Sie, ich habe wirklich nur eine kurze Frage…“ Plötzlich taucht ein Kopf hinter dem Bildschirm auf und ich mache unbewusst einen kleinen Schritt zurück. Meine Güte! Mit dem Anblick hatte ich hier nicht mehr gerechnet. Naja, was soll es! Schließlich bin ich eine Frau mit Mission. Ich habe keine Zeit zu verlieren und ringe mir ein, wie ich meine, freundliches Lächeln ab und beginne meinen Monolog. „Hallo, ich suche…“ Meine Beschreibung hatte ich wohl eingeübt, schließlich habe ich nicht viel Zeit. Und ich weiß ja selber wie anstrengend Menschen sind, die nicht wissen was sie wollen… In dem Moment werde ich abrupt aus meiner Rede gerissen. Die freundliche Dame mir gegenüber, die sich noch kein Lächeln abgerungen hat, ganz im Gegensatz zu mir, hat was gesagt. Nur was?

„Bitte?“ frage ich noch mal lächelnd nach.
„Kunde?“ kommt es gelangweilt aus ihrem Mund, während sie sich zurücklehnt.
Ja sicher, ich bin ganz oft Kunde, in vielen Läden. In zu vielen, wenn Sie meinen Mann fragen…aber…
„Ob sie einen Benutzerausweis bei uns haben?“ schiebt sie dann etwas genervt nach. Benutzerausweis, ja sicher, damit kann ich dienen. Im Rekordtempo krame ich den Ausweis aus meiner Tasche und bin schon selbst ein bisschen stolz auf mich. Schließlich gehöre ich ja zur gebildeten Mittelschicht. Da HAT man ja schließlich einen Büchereiausweis. Lesen ist gleich gebildet, Bücher teilen und nicht alle selber kaufen ist hipp und so ein bisschen was von Old-School haben Büchereien ja immer noch, oder?
Meine, ich nenne sie mal Kundenberaterin, hat sich der weilen mit meinem Ausweis hinter den Bildschirm verschanzt und ich höre wie sie in die Tastatur haut. Sehen kann ich es ja leider nicht, hinter diesem Bildschirm. Etwas unschlüssig schaue ich auf die Stühle, diesseits der Theke. Ob ich mich da einfach hinsetze? Von meiner Gesprächspartnerin ist noch nichts zu sehen, so dass ich es wage und mich vorsichtig und langsam auf einen der Stühle sinken lasse.
„Auf ihrem Konto ist nichts drauf“ kommt schließlich hinter dem Bildschirm hervor.
„Ich weiß“ lächle ich den Bildschirm an und ergänze „ich suche ja auch ein Buch, das ich ausleihen will.“

Langsam erscheint meine Gesprächspartnerin wieder und starrt mich an.
„Was suchen Sie denn?“
Ich beginne noch mal meine einstudierte Beschreibung, wenn auch nicht mehr ganz so schwungvoll, und hoffe, dass meine etwas lückenhafte Erinnerung kein Problem ist…
„Haben Sie´s mal im OPAC versucht?“
„Wo bitte?“ frage ich etwas verwirrt nach.
„Am OPAC“, wiederholt meine Gesprächspartnerin etwas lauter. Wahrscheinlich deutet sie meinen Gesichtsausdruck richtig, denn sie weist zur Unterstützung mit der Hand auf den Rechner der mitten im Raum steht.
„Ach ja, am Rechner. Ja, da habe ich mal geschaut, aber irgendwie nichts gefunden.“
„Da, müssen Sie mal die OPAC-Schulung mitmachen. Das kann ich ihnen hier nicht erklären. Ich arbeite hier ja mit der Profi-Oberfläche. Das sieht anders aus. Ich schau mal…“

Mittlerweile sitze ich wieder alleine vor der Theke und meine Gesprächspartnerin ist wieder hinterm Bildschirm verschwunden. Hatte die Betonung von „Profi“ gerade etwas zu sagen, frage ich mich… Die Tasten klappern, und in regelmäßigen Abständen höre ich ein gemurmeltes „nee, auch nicht…“
„Ha, da ist es!“ kommt es wenig später hinterm Bildschirm hervor. Endlich. „Wo ist denn nur der Drucken-Button…“

„Versuchen Sie mal Strg und P“, versuche ich nett zu sein. Schweigen. Nach einer kleinen Pause setzt sich der Drucker in Gang und meine nette Gesprächspartnerin, von der ich immer noch nicht weiß wie sie heißt, erscheint wieder in meinem Sichtfeld.
„Also das sind die Daten, Signatur finden sie hier. Das Buch steht in der 1. Etage. Ok?“
Etwas erledigt erhebe ich mich und nachdem meine Gesprächspartnerin wieder hinterm Bildschirm verwunden ist, mache ich mich auf den Weg das Buch zu suchen. Ich hoffe, ich finde das. Und ich hoffe, es ist das Richtige…

Hat dies wirklich stattgefunden?? Was denken Sie?

Natürlich nicht! Denn Bibliotheksmitarbeiter…

…sind darin geschult Kundengespräche zu führen
…setzen im Auskunftsdienst die Kundenoberfläche ein
…erläutern den Kunden die Suchstrategie so, dass der Kunde es nachvollziehen kann
…besitzen im Auskunftsdienst zwei Bildschirme oder drehen den Bildschirm so, dass der Kunde mitlesen kann
…beherrschen „ihre“ Technik und wissen über grundlegende PC-Bedienung wie z.B. Shortcuts auf der Tastatur Bescheid.

Manchmal geht einfach meine Fantasie mit mir durch wenn ich über ein Thema nachdenke…

[Dieser Beitrag ist Teil der Serie „Der Auskunftsdienst im Wandel„]

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