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Lernort Bibliothek: Informationsrecherche im Tiefenrausch

Wie verbindet man reale und digitale Welt in der Bibliothek? Diese spannende Frage ist ein zentrales Thema der Initiative „Lernort Bibliothek“. Und wir wären keine Bibliothekare, wenn uns nicht die Verknüpfungsmöglichkeiten von klassischen Medien und Informationen im Internet beschäftigen würden.
Mit der Entwicklung des Q-thek-Konzeptes und der Einführung eines großen Touchscreens als einem zentralen Element der Q-thek, stellte sich die Frage, ob man nicht große Touchscreens in der Bibliothek nutzen kann, um genau diese Verbindung herzustellen: Informationen aus dem Internet mit der klassischen Medienwelt zu kombinieren.

Im Rahmen der Recherche nach möglichen Partnern für unser Vorhaben sind wir auf die Arbeitsgruppe Mensch-Computer Interaktion an der Universität Konstanz gestoßen. http://hci.uni-konstanz.de. Herr Prof. Dr. Reiterer und sein Team hatten 2012 bereits Erfahrungen mit der Entwicklung des Konzeptes der „Blended Library“ gesammelt. Der Lehrstuhl entwickelt Konzepte, die die reale Welt auf die Computerwelt übertragen. Dabei wird erforscht, wann und wie eine Übertragung und Verknüpfung der beiden Welten sinnvoll ist.

Gemeinsam mit neun Lernort-Bibliotheken der „1. Generation“ entwickelte das Konstanzer Team den Quellentaucher. Als Pilotbibliothek hat sich die Stadtbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass es sich um ein bundesweit einmaliges Forschungsprojekt mit offenem Ausgang handelt. Ob und in wie weit diese Entwicklung Einzug in das Öffentliche Bibliothekswesen halten wird, kann derzeit noch nicht abgesehen werden. Entscheidend ist jedoch, sich auf den Weg zu machen und die Möglichkeiten einer qualitativ hochwertigen Informationsrecherche im Internetzeitalter zu erforschen. Die Kunst wird sein, Informationsrecherchen für den Bibliothekskunden intuitiv und spielerisch zu gestalten.

Heute wird die erste von drei Realisierungsstufen dem Fachpublikum in der Stadtbibliothek Köln vorgestellt. Nach Präsentation des Konzeptes und der Besichtigung der Installation diskutieren Bibliothekare mit Informatikern über die Idee und Realisierungsmöglichkeiten in Bibliotheken. Für alle, die nicht dabei sein können, stellen wir hier das Konzept des „Quellentauchers“ vor:

Quellentaucher
Der Quellentaucher umfasst zwei Stationen, die das freie Stöbern und die zielgerichtete Recherche unterstützen. Zum Stöbern lädt die „Expedition“ ein, welche das aktuelle Weltgeschehen mit dem Bibliotheksbestand verknüpft. Eine zielgerichtete Recherche im Medienbestand der Bibliothek hingegen ermöglicht der „Tiefenrausch“. Neben der individuellen Recherche durch einzelne Bibliotheksbesucher wird hier das gemeinsame Lernen sowie die Beratung von Kunden durch Bibliotheksmitarbeiterinnen gleichermaßen unterstützt.

Der Quellentaucher vereint die Vorteile der Suche am physischen Regal mit den Möglichkeiten der digitalen Recherche. Neben Büchern werden auch weitere Medien, DVDs, Zeitschriften oder eBooks ebenso wie externe Informationsquellen eingebunden. Die erarbeiteten Ergebnisse werden dem Besucher nachnutzbar zur Verfügung gestellt. Der Quellentaucher überwindet somit den Bruch zwischen dem physischen Ort Bibliothek und der digitalen Informationswelt (OPAC, Web, Social Media). Beide Welten werden dadurch als Einheit erfahren. Dem Besucher wird ein intuitives und unterhaltsames Stöber- und Rechercheerlebnis geboten.

Quellentaucher_Expedition_14_03_13Expedition
Die Station „Expedition“ ermöglicht das Stöbern in aktuellen Meldungen zum Weltgeschehen und verknüpft diese mit dem Bestand der Bibliothek. Der Besucher begibt sich auf eine digitale „Expedition“ durch die Medienwelt. Die „Expedition“ macht den Besucher neugierig und lockt ihn so an die Installationswand. Eine Tiefenkamera, welche die Umgebung erfasst, stellt den Besucher im näheren Umkreis in Form einer dynamischen Silhouette dar.
Tritt der Besucher an die Installation heran, wird eine Nachrichtenlandschaft sichtbar. Die dargestellten Nachrichten entstammen einer Online-Quelle. Der Besucher kann mit seiner Reise durch die Nachrichtenwelt beginnen.
Die Landschaft kann auf dem Display verschoben werden. Dabei können einzelne Nachrichten durch Anklicken der entsprechenden Kachel ausgewählt werden.
Sobald eine Meldung selektiert wurde, dreht sich die Kachel. Es erscheinen Nachrichten-details und zusätzliche, themenverwandte Informationen aus weiteren Online Quellen. Gleichzeitig wird ein Bezug zum lokalen Bestand hergestellt, indem sich das digitale Regal neben dem Display mit themenverwandten Medien aus dem Bibliotheksbestand füllt.
Die Displays sollen bewusst an ein physisches Bücherregal erinnern.
Die Medien werden fotorealistisch mit Blick auf ihren (Buch-) Rücken dargestellt.
Wurde eines der Medien durch Antippen des Buchrückens selektiert, so wandert es nach unten und wird als virtuelles Buch dargestellt. Hier findet der Besucher Zusatzinformationen zum Werk. Mithilfe einer Druckfunktion kann der Besucher letztlich den Standort seines Fundes ausdrucken lassen.

Quellentaucher_Tiefenrausch_14_03_13Tiefenrausch
Die Station „Tiefenrausch“ ermöglicht dem Besucher das gezielte Eintauchen in den Medienbestand. Der „Tiefenrausch“ unterstützt tiefergehende Rechercheszenarien durch die Möglichkeit der intuitiven Formulierung von Suchanfragen.
Suchanfragen werden mithilfe von physischen Objekten aufgebaut. Dadurch erlaubt die Pult/Wand-Station eine gleichberechtigte Zusammenarbeit von Bibliothekspersonal und Besuchern und eignet sich insbesondere für Beratungsgespräche. Der Besucher wird zunächst dazu aufgefordert, seine Suchanfrage mithilfe von physischen Bausteinen zu formulieren. Jeder Baustein repräsentiert eine Facette, wie etwa „Erscheinungsjahr“ oder „Medientyp“. Zur Unterscheidung der Facetten weisen die Bausteine unterschiedliche Formen auf.
Wird ein Baustein aufgelegt, so werden die verfügbaren Ausprägungen der entsprechenden Facette sichtbar. Im Falle des quadratischen Bausteins könnten beispielsweise die verfügbaren Medientypen ausgewählt werden. Neben dem Medientyp stehen noch weitere Facetten für die Definition der Suchanfrage zur Verfügung. Dazu gehören das Themengebiet, das Veröffentlichungsdatum sowie die Sprache.
Durch das Verbinden der Facetten werden diese in Form einer Und-Verknüpfung in die Suche miteinbezogen. Das Ergebnis der Suchanfrage wird an der Wand dargestellt.
Um Suchbegriffe in die Suche miteinzubeziehen kann ein weiterer, spezieller Baustein aufgelegt werden. Dieser ermöglicht die Definition des Suchbegriffs, sowie die Felder in welchen nach diesem Begriff gesucht werden soll.
Das Hinzufügen eines weiteren Bausteines in die Kette von Facetten führt zur sofortigen Aktualisierung der Suchergebnisse. Die Folgen von Änderungen in der Suchanfrage werden somit sofort ersichtlich.
Führen die Verbindungen von zwei Bausteinen direkt auf einen gemeinsamen Baustein repräsentiert dies eine Oder-Verknüpfung. Somit wird unter anderem die Möglichkeit geboten, die Suche nach dem einen, oder einem weiteren Suchbegriff durchzuführen.
Die Visualisierung der Ergebnisse ermöglicht die Darstellung zusätzlicher Informationen innerhalb der tabellarischen Darstellung. Des Weiteren werden Möglichkeiten zur Filterung und Sortierung angeboten
Wie bei der „Expedition“ wird auch beim „Tiefenrausch“ eine Druckfunktion angeboten, so dass der Besucher die Suchergebnisse weiter verwenden kann.
Die Kombination aus „Expedition“ und „Tiefenrausch“ vereint das digitale Informations-angebot mit dem realen Ort Bibliothek und verbindet die Vorteile der Suche am physischen Regal mit den Möglichkeiten der digitalen Suche. Dabei wird stets ein intuitives und unterhaltsames Stöber- bzw. Recherche-erlebnis geboten.

Finanziert wird das Projekt vom Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen.
Die Projektleitung liegt bei der Bezirksregierung Düsseldorf, Dezernat 48 Öffentliche Bibliotheken. Auf der Homepage der Bezirksregierung Düsseldorf wurde eine Broschüre zum Quellentaucher zum Download bereitgestellt.
Weitere Informationen zur Arbeitsgruppe Mensch-Computer Interaktion an der Universität Konstanz finden Sie hier: http://hci.uni-konstanz.de

Wir werden über den Fortschritt des Projektes weiter berichten.

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