Wenn Bibliothekare ihre Einrichtung vorstellen, beginnen sie gerne mit den Bestandszahlen und dem Gründungsjahr oder den Erfolgen bei Leistungstests wie dem BIX, also werde ich es ähnlich halten. Mein Name ist Mark Robin Horn, ich bin Bibliothekar und das, was viele von Ihnen vermutlich als „Gamer“ bezeichnen würden. Ich bin 25 Jahre alt und spiele seit meinem 5. Lebensjahr Computerspiele. Ich besitze einen spieletauglichen und einen – für viele von Ihnen wahrscheinlich schwachsinnig teuren – Computer, mehrere Konsolen und Handhelds und mindestens drei Dutzend Brett- und Kartenspiele. Ich habe mindestens fünf „World of Warcraft“ Charaktere auf die höchste Stufe gespielt, verwirkliche architektonischen Träume auf einer eigens erstellten „Minecraft“-Welt , und habe es in der zweiten „League of Legends“ Saison zumindest auf eine Goldene Elo gebracht. Obendrein verbringe ich kaum eine Zugfahrt ohne das ein oder andere Level bei „Jewels Saga“ zu lösen. Vermutlich wird es Ihnen ähnlich gehen, wenn auch nicht mit Videospielen, dann mit etwas anderem, das Sie begeistert. Ich würde wetten ihre Liste an Erfolgen wäre sogar noch etwas länger.
Aber warum erzähle ich Ihnen das? Ich bin Bibliothekar, Bibliotheken sind mein Beruf und natürlich finde ich Bibliotheken klasse, aber Spiele gehören zu meinen Leidenschaften. Ich bin der Überzeugung, dass Spiele oder neudeutsch „Games“ in Bibliotheken gehören. Aus diesem Grund war es für mich auch keine schwere Entscheidung, mich für eine Aufbereitung dieses Themas zu melden. In dieser heute beginnenden Reihe soll es um das Thema Gaming in Bibliotheken gehen und heute möchte ich mit der Frage nach dem Warum beginnen. Warum sollten sich Bibliotheken aktiv dem Thema Gaming widmen?
- Computerspiele sind Kulturgut!
Bereits im Jahr 2008 wurde der Bundesverband der Entwickler von Computerspielen als Mitglied im Deutschen Kulturrat aufgenommen. Damit zählen Computerspiele auch offiziell als Kulturgut und damit als generell erhaltenswert. Trotz zäher Diskussionen, gab es für die Aufnahme gute Gründe, denn die Herstellung von Computerspielen bedarf oft der Zusammenarbeit von verschiedenen Künstlern wie Autoren, diversen Arten von Designern und Musikern. Bibliotheken verstehen sich zumindest zum Teil als Kulturinstitutionen, sie sammeln Literatur, Film und Musik, manchmal auch Bilder ohne, dass jemand dies kritisch hinterfragt. Nur bei Games ist dies offenbar anders.
Andere Arten von Kultureinrichtungen haben das Thema längst für sich entdeckt.
Auf der Seite archive.org stehen alte Spiele – neudeutsch „Retrogames“ – zum Download zur Verfügung. In Berlin gibt es ein eigenes Museum nur für Computerspiele. In Bibliotheken scheint man derweil immer noch über das Für und Wider von Games in der Kultur zu diskutieren, anstatt das Medium in das eigene Angebotsportfolio zu integrieren.
- Computerspiele bieten so viel von dem, was wir an guten Büchern schätzen.
Menschen lieben Geschichten. Vor allem gute Geschichten! Ich war vor kurzem auf einem großartigen Workshop von Wibke Ladwig zum Thema Storytelling. Bei einer Kreativübung sollten die Teilnehmer Ihr Lieblingsbuch nennen und beschreiben, warum Sie die Geschichte als gut empfunden haben.
Es fiel mir sehr schwer nicht anstatt eines Buches, ein Computerspiel zu nehmen.
Denn Spiele bieten genau das. Sie sind ein hervorragendes Medium für das Erzählen von Geschichten und bereichern diese sogar noch durch Interaktion.
Die Geschichte des Spieles „World of Warcraft“ – umfasst nach den Angaben auf einer Infografik des Herstellers etwa 12 Millionen einzelne Wörter, (wohlgemerkt in englischer Sprache). Das entspricht etwa der zwölffachen Länge aller „Herr der Ringe“ Bände.
Hinzu kommt eine besonders umfangreiche Reihe von Romanen, Mangas und Comics, die allein dem Zweck dienen die Hintergrundgeschichte einiger Charaktere der eigentlichen Spielgeschichte näher zu erläutern.
Genau dies fasziniert viele Spieler. Die Spielgeschichte wird akribisch auf verschiedenen von der Community angelegten und verwalteten Wikis gepflegt und überwacht. Unlogische Änderungen der Spielgeschichte durch Patches, also Erweiterungen der Spiele, werden mit herber Kritik gestraft und in offiziellen Foren der Spielehersteller (Hier wieder das Beispiel Warcraft) mit den Spielern diskutiert.
In einem Buch kann der Leser die Geschichte einer Figur oder Person miterleben. In einem Spiel kann der Spieler sie aber sogar beeinflussen und verändern. Er ist aktiv an dem Fortgang der Geschichte beteiligt. Er kann die moralischen Zwickmühlen der Figuren selbst durchleben und Entscheidungen fällen, sowie deren Konsequenzen unmittelbar erfahren. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Spiele von Telltale Games. Die Spiele basieren hier weitestgehend auf Textelementen, durch anklicken verschiedener Auswahlmöglichkeiten bestimmt der Spieler mit, welchen Lauf die eigentliche Handlung nimmt und wie der Charakter in einer Situation reagiert.
Mir wurde einmal gesagt, dass es zwar wenig Sinn macht Spiele einfach nur zu verleihen (bei den meisten modernen Spielen ist das aufgrund ihrer Vertriebsform auch nicht möglich), doch die Geschichten hinter den Spielen, in Form von Romanen, Filmen oder anderen Medien, könnten sehr wohl einen Platz in Bibliotheken finden. Diese Meinung teile ich, von Veranstaltungsformaten wie z.B. Schreibwerkstätten und Kreativwettbewerben (FanArt/FanFiction) ganz zu Schweigen. Bibliotheken haben die Möglichkeit mithilfe aller ihnen zur Verfügung stehenden Mittel (Bestand, Onlineressourcen, Expertise) ein einmaliges Angebot zu bieten.
Die Fortsetzung gibt es Hier
Hat dies auf Die Stadtbibliothek Gütersloh bloggt rebloggt und kommentierte:
Ein toller Beitrag zu „Gaming in Bibliotheken“ in 4 Folgen, den wir hier gerne teilen möchten! Robin Horn von der Bezirksregierung Detmold, den die meisten KollegInnen in OWL mittlerweile kennen dürften, outet sich als Gamer und liefert gute Gründe…
Warum schreibt man nicht ‚Warum Spiele in Bibliotheken gehören?‘ – ist man der deutschen Sprache nicht mehr mächtig! Die Verwendung des englischen Begriffs ‚Games‘ ist hier doch völlig unnötig, oder?
Weil die Sprache sich so entwickelt hat – man geht ja auch zum Shoppen und nicht zum Kleiderkaufen. und bei Games weiß man gleich, dass es sich um Cumputer- oder Konsolenspiele handelt.
Vielen Dank für Ihre Rückmeldung! Bibliotheken sollten Sich darum bemühen ihrer Zielgruppe auf Augenhöhe zu begegnen. Gaming als Begriff wird (auch laut Duden http://www.duden.de/rechtschreibung/Gaming) von dieser speziell für Video- oder Computerspiele angewendet. Der Begriff „Spiele“ ist nach diesem Verständis weiter gefasst. Da ich mich in dieser Blogreihe aber vorwiegend mit Video- oder Computerspielen beschäftigen möchte, ist die Verwendung des Begriffes Games nach meinem Dafürhalten sinnvoll.
Hat dies auf familinks rebloggt und kommentierte:
„Computerspiele sind Kulturgut“, stimmt und gehören in jede Bibliothek, genau wie Systeme zum Vorort spielen 🙂
Hat dies auf Offener Computertreff Blog rebloggt und kommentierte:
Seit 1990 gibt es die Computerbibliothek in Paderborn. Und ebensolange präsentieren wir hier unter anderem auch Spiele.