Wer sind eigentlich diese Gamer? Sind die in der Bibliothek?
In der letzten Woche ging es in unserer kleinen Blogreihe um die Frage, warum Bibliotheken sich mit Gaming auseinandersetzen sollten. Natürlich weckt dies bei vielen Bibliotheksmenschen die Frage nach passenden Angeboten für die Zielgruppe „Gamer“. Bevor wir uns aber mit Angeboten beschäftigen können, sollten wir uns erst einmal fragen wer oder was eigentlich „Gamer“ sind? In diesem Bereich gibt es einige Vorurteile, die sich auf den zweiten Blick als übertrieben oder falsch herausstellen.
Beim Gedanken an den durchschnittlichen Gamer, haben viele Menschen auch heute noch das Bild vom 15 jährigen Hygieneskeptiker Lukas vor Augen, der nach dem Abbruch der Grundschule seine Freizeit von 10 bis 4 Uhr mit Ballerspielen verbringt; wenig bis gar keine sozialen Kontakte besitzt und auch sonst kein Interesse an Themen vorweisen kann, die sich außerhalb der 27 Zoll Diagonale seines Computerbildschirmes abspielen. Dieses Klischee wurde in der Vergangenheit auch gerne von den Massenmedien – ebenso überspitzt – aufgegriffen. Auch das gerne bemühte Selbstbild der Gamer als „nach außen hin abgeschottete Subkultur“ hilft wenig bei dem Ausräumen von Vorurteilen. Für diesen Blogbeitrag habe ich mich also einmal mit den verfügbaren Zahlen zu Gamern auseinandergesetzt.
Beginnen wir mit dem Alter. Überraschenderweise findet man dazu gleich mehrere Statistiken, die kein einheitliches Ergebnis zeigen. Mal sind es (wie in dieser Umfrage des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM)) besonders die jungen Bundesbürger, die sich in ihrer Freizeit liebend gerne mit Videospielen beschäftigen, mal liegt die Mehrheit bei den älteren Generationen. Meinem Eindruck nach ist das allein eine Sache davon, wo man bei so einer Statistik die Altersgruppen abgrenzt. Fakt ist, dass das Thema Gaming nicht mit der Volljährigkeit an Bedeutung verliert. Der durchschnittliche Spieler ist Mitte 30 (Je nach Quelle zwischen 32 und 38). Bibliotheken, die Gaming pauschal in den Kinder- und Jugendbereich einsortieren, sollten sich also zumindest darüber im Klaren sein, dass sie damit ein Angebot auf eine ganz bestimmte und relativ kleine Gruppe innerhalb der Gamer beschränken.
Egal welcher Statistik man jetzt traut, in einer Sache sind sie sich alle einig: Unabhängig von der Altersklasse, die Anzahl aktiver Gamer steigt kontinuierlich an. Eine Infografik des Bundesverbandes Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) spricht von 29,3 Millionen, Bitkom sogar von 36 Millionen Menschen in Deutschland, die regelmäßig Videospiele spielen.
Diese Verbreitung kann unter anderem ein Indikator dafür sein, welchen Stellenwert dieses Medium im gesamten Angebotsportfolio der Bibliothek einnehmen könnte. Der Zuwachs ist allerdings nicht gleichmäßig auf alle Spielegenres verteilt, was uns zum nächsten Punkt bringt. Welche Spiele werden eigentlich gespielt? Während die Spielerzahlen von klassischen Online oder Browserspielen nur einen leichten Zuwachs von etwa 600.000 Spielern (4%) verzeichnen können, ist die Gruppe der Spieler von Spiele-Apps für Smartphones und Tablets um satte 23% angewachsen. Das sind über 20 Millionen Spieler, die auf mobilen Endgeräten Spiele spielen.
Der durchschnittliche Gamer sitzt heute nicht mehr unbedingt stundenlang in einer dunklen Kammer vor seinem übergroßen Monitor und daddelt einsam vor sich hin, (Obwohl es auch diese Gamer noch gibt und das meiner Meinung nach auch manchmal eine sehr angenehme Sache ist ;-))sondern spielt in der U-Bahn oder im ärztlichen Wartezimmer oder auf dem Schulhof mit Klassenkameraden, ein kurzes Gelegenheitsspiel. Diese Gamer werden auch „Casual Gamer“ genannt.
Und noch eine Zahl sticht besonders hervor, nämlich die Anzahl der weiblichen Spieler. Diese liegt laut BIU bei 47% in den letzten Tagen erreichten uns verstärkt Meldungen, dass in 2014 von den deutschen Gamern mehr als die Hälfte weiblich ist. Eine Tatsache, die ob der klar auf eine männliche Zielgruppe zugeschnittenen Werbung bekannter Spieletitel leicht vergessen wird, aber für Bibliotheken bei der Entwicklung von Angeboten eine Rolle spielen sollte.
Bei der Untersuchung der meistgespielten Spiele, nach Geschlecht finden sich die oben angesprochenen „Casual Games“ sowohl bei Männern als auch Frauen auf Platz Zwei. Bei den Männlichen Spielern sind sie sogar genauso beliebt wie der ebenfalls von beiden Geschlechtern geteilte erste Platz, die „Strategie und Aufbauspiele“. Doch während Frauen bevorzugt Jump’n Run Titel spielen, gaben Männer an, eher Renn- und Sportspiele zu konsumieren. Ego-Shooter (abwertend auch gerne „Ballerspiele“ genannt) um noch einmal auf unseren Klischeegamer einzugehen finden sich auf der Liste interessanterweise überhaupt nicht wieder. Fitnessspiele wiederum schon. Und das, obwohl der Vorstellung vieler Menschen nach Fitness und Gaming nicht allzu viel mit einander zu tun haben.
Bei Kindern und Jugendlichen als spezielle Zielgruppe sieht das anders aus, wie die JIM Studie im Jahre 2013 gezeigt hat. Hier zählen die Fußballsimulaton „FIFA“ sowie das Sandbox Game „Minecraft“, leider aber auch der Ego-Shooter Call of Duty, der eigentlich keine Jugendfreigabe besitzt zu den beliebtesten Videospielen.
Eines sei an dieser Stelle gesagt: Gaming-Angebote in Öffentlichen Bibliotheken sollten keinesfalls als „Mittel zum Zweck“ verstanden werden. Der Stellenwert von Gaming in Deutschland ist mittlerweile so hoch, dass ein eigenständiges Angebot – ähnlich der Einführung von Musik und Filmen – nicht nur entschuldbar, sondern fast schon notwendig ist. Sollten Sie noch überlegen, warum Bibliotheken sich überhaupt mit Gaming beschäftigen sollten, empfehle ich Ihnen meinen Blogbeitrag zu diesem Thema.
Die Größenordnung, in der in Deutschland Videospiele gespielt werden macht es überflüssig ein Gaming-Angebot mit Argumenten wie „Spieler sollen in die Bibliothek gebracht und an das Buch herangeführt oder zum Lesen animiert werden“ zu rechtfertigen.
Knapp 30 Millionen, sind mehr als genug Menschen, um für diese ein eigenes Angebot zu schaffen (zum Vergleich sind das etwa drei Mal so viele wie registrierte Nutzer von Bibliotheken in 2013 laut dbv Bericht zur Lage der Bibliotheken noch dazu sind Gamer alles andere als ungebildet und lesefaul.
Anhand von sozialen Milieus sind Gamer kaum einzuordnen. Gespielt wird in allen Einkommens- und Bildungsschichten. Das zeigt diese Profilstudie von 2011. Es gibt weder anhand des Einkommens, noch anhand der Bildungsabschlüsse eindeutige Schlussfolgerungen. Eine weitere Studie (BITKOM 2014) kommt sogar zu dem Schluss, dass sich unter Schülern, die meisten Gamer auf dem Gymnasium finden lassen. Mit steigendem Bildungsgrad steigt auch der Ruf, den Computerspiele unter den Befragten genießen. Das Gamer nicht lesen, ist meiner persönlichen Meinung nach ohnehin nur ein Gerücht, denn ohne zu lesen, erschließen sich einem erfahrungsgemäß die wenigsten Computerspiele. Nur weil der Titel eines Textes nicht auf der Spiegel Bestsellerliste auftaucht, ist das lesen nicht weniger wert. Das gilt für Literatur ebenso wie für die Texte innerhalb von Computerspielen.
Aber kommen wir zurück zu unserem angeführten Klischee-Gamer. Wie sieht nun der typische Gamer aus? Unser Lukas hat wahrscheinlich inzwischen deutlich an Alter zugelegt. Natürlich kann es sein, dass Lukas zwischen 14 und 20 Jahren alt ist, allerdings ist er wahrscheinlich schon Mitte 30 und von Ballerspielen will er eigentlich gar nichts wissen. Viel lieber spielt er mit seiner Freundin Anna, die ebenfalls leidenschaftliche Gamerin ist Strategiespiele über das Internet, oder auch gerne einmal am Smartphone im Zug zur Uni oder zur Arbeit.
Ich hoffe, dass an dieser Stelle deutlich geworden ist, dass es den Gamer nicht gibt. Bibliotheken, die ein Angebot für die Zielgruppe „Gamer“ in ihrer Institution etablieren wollen, rate ich dazu, sich mit den oben genannten Statistiken (und vielen weiteren zu diesem Thema) auseinandersetzen. Es gibt viele mögliche Zielgruppen innerhalb der Masse der Gamer. Selbstverständlich ist es aus Sicht der Bibliotheken sinnvoll, einen Fokus auf eine kleinere und greifbarere Untergruppe innerhalb dieser Grundgesamtheit zu legen. Im Besten Falle entspricht der Fokus der grundlegenden Ausrichtung der Bibliothek. Setzt die Bibliothek z.B. einen Fokus auf Kinder und Jugendliche, sollte sich auch das Gaming Angebot an diese Zielgruppe richten, liegt der Fokus eher auf Erwachsenen, gilt dieses für das Gaming Angebot entsprechend. Die Fachstelle berät Sie natürlich bei Interesse gerne zu diesem Thema.
Hat dies auf Die Stadtbibliothek Gütersloh bloggt rebloggt und kommentierte:
Teil 3 des Gaming-Beiltrags von Robin Horn befasst sich mit der Frage „Wer sind eigentlich diese Gamer?“ Viel Spaß beim Lesen!
Hat dies auf Offener Computertreff Blog rebloggt und kommentierte:
Gute Frage… 🙂