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Bibliotheksgebühren – Ist der Preis zu hoch?

Öffentliche Bibliotheken sind öffentliche Orte und ihre Angebote sind nicht-kommerziell. Diese Aussage liest man in vielen Imagebroschüren und Beschreibungen, denn mit diesem Merkmal stehen Bibliotheken in vielen Kommunen allein. Grundsätzlich kann jeder die Angebote Öffentlicher Bibliotheken nutzen, ohne etwas konsumieren oder kaufen zu müssen.

Geld nehmen viele Bibliotheken natürlich dennoch ein. Knapp 84% aller nordrein-westfälischen Bibliotheken in kommunaler Trägerschaft gaben für die Deutsche Bibliotheksstatistik 2015 an, jährliche Nutzungsgebühren zu erheben. Neben den Mahn- und Säumnisgebühren werden in vielen Bibliotheken weitere Gebühren, etwa für die Nutzung von W-LAN, die Ausleihe von AV-Medien oder Buch-Bestsellern erhoben. Und auch für Serviceangebote wie Vormerkungen und Verlängerungen fallen Gebühren an. Selbst Provisionszahlungen für die Einbindung von „Kaufbuttons“ in die Bibliotheks-eigenen E-Book-Downloadportale gab es schon vereinzelt. Eine einheitliche Regelung für alle Bibliotheken in Deutschland gibt es nicht. Anpassungen und Änderungen der Gebührenordnung werden von den Kommunen meist vor dem Hintergrund der Erhöhung des Kostendeckungsgrades der Bibliothek vorgenommen.

Die Diskussion über die Vereinbarkeit des Anspruches der Bibliotheken als nicht-kommerzielle Orte mit der Erhebung diverser Gebühren wird in der Fachwelt immer wieder leidenschaftlich diskutiert. Ein Anlass in den letzten Jahren war die Entwicklung bei der Stadtbibliothek Nürnberg, die 2013 die Jahresgebühren nach gut 10 Jahren wieder abgeschafft hat. Andere Kommunen denken darüber nach, diesem Beispiel zu folgen. So fordert die SPD Dülmen beispielsweise dieser Tage die ersatzlose Streichung der Nutzungsgebühren, ohne dass Mittel  für die Stadtbücherei gekürzt werden sollen.

Der Auftrag Öffentlicher Bibliotheken, den Zugang zu Informationen und Medien und damit die Teilhabemöglichkeit an der Gesellschaft zu fördern, bezieht sich auch auf Zielgruppen, für die bereits 2 Euro für einen Bestseller oder 50 Cent für eine halbe Stunde Internetzugang eine erhebliche Investition darstellen. Nutzungsgebühren können hier eine spürbare Zugangsbarriere darstellen. Umfragen in der Vergangenheit lassen zudem den Schluss zu, dass insbesondere Gebühren pro Entleihung, wie sie häufig etwa bei Bestsellern, DVDs, Hörbüchern oder Konsolenspielen üblich sind, oft zu einer geringeren Nutzung führen, was wiederum geringere Einnahmen als erhofft zur Folge hat. Auch die Einführung von „Premium“-Ausweisen, mit denen Kunden bei einer deutlich erhöhten Jahresgebühr keine weiteren Ausleihgebühren zahlen müssen, erfüllte bei Feldversuchen nicht den Zweck höherer Gesamteinnahmen.

Die Erhebung von Gebühren in Bibliotheken wird meist nicht gänzlich in Frage gestellt. Das wäre angesichts der knappen Haushaltslage vieler Kommunen realitätsfern, selbst wenn die Gebührenfreiheit bis vor einigen Jahrzehnten noch der Regelfall war und in anderen europäischen Ländern, z. B. in Dänemark und Italien, jährliche Gebühren nicht üblich sind.

Dass Gebühren tatsächlich eine Hemmschwelle zur Nutzung der Bibliothek darstellen können, ist nachvollziehbar. Umgekehrt kann die Abschaffung von Jahresgebühren zu einem deutlichen Nutzungszuwachs führen. Die Stadtbibliothek Nürnberg ist ein prominentes Beispiel hierfür. Seit 2013 werden hier keine Jahresgebühren mehr erhoben. Stattdessen zahlen Kunden aber für jede Verlängerung und die Vormerkung von Medien. Die Erstausleihe aller Medien ist kostenlos.

dbs-Statistik_Nürnberg

Abb. 1: Auszug aus der Variablen Auswertung der dbs

Elisabeth Sträter (Leiterin der Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg) erklärte in Ihrem Vortrag auf dem Bibliothekartag 2014, dass durch die veränderte Gebührenstruktur zwar keine höheren Einnahmen erzielt wurden, die Zahl der aktiven Benutzer aber deutlich anstieg (siehe auch Abb. 1). Somit wurden die Gesamt-Kosten zwar nicht gesenkt, die Kosten pro Nutzer dafür aber deutlich. Weitere positive Effekte entstehen durch einen Rückgang des Missbrauchs von Jugendausweisen bei der Selbstverbuchung, den geringeren Verwaltungsaufwand sowie den deutlich schnelleren Umlauf der Medien durch die  Verringerung der Verlängerungen.

Im Sinne der Verwirklichung von Chancengleichheit beim Zugang zu Informationen und Medien und angesichts der oftmals hinter den Erwartungen zurück bleibenden Einnahmen ist es nachvollziehbar, dass Ausleihgebühren wieder vermehrt kritisch hinterfragt werden. Natürlich entscheiden kommunale Öffentliche Bibliotheken nicht selbst über ihre Gebührensatzungen, aber die Kompetenz Ihres Fachpersonals bei der Einschätzung von erhofften und unerwünschten Effekten ist hoffentlich bei den Entscheidungsträgern gefragt.

Bei Beratungsbedarf stehen Ihnen Ihre regionalen Berater der Fachstelle für Öffentliche Bibliotheken NRW gerne zur Verfügung.

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