Anfang 2019 hatte ich die Möglichkeit, auf einer durch die Fachstelle für das Öffentliche Bibliothekswesen in Baden-Württemberg gemeinsam mit dem Goethe-Institut organisierten Besichtigungstour, einige Bibliotheken in den Niederlanden anzusehen. Auch wenn es sich hierbei um unser Nachbarland handelt, sind für mich dabei einige Unterschiede zu unseren Öffentlichen Bibliotheken sichtbar geworden.
Und um bei den Niederländern zu bleiben, zumindest im entferntesten Sinne, konnte sich Frau Büning im vergangenen Jahr auf einer Reise nach Oslo dort die vom niederländischen Architekten und Creative Guide Aat Vos gestaltete Kinderbibliothek „Biblo Toyen“ anschauen, deren Zugang für Erwachsene normalerweise streng verboten ist.
Doch damit nicht genug. Im Dezember 2018 wurde die von der IFLA im Jahr 2019 zur besten Bibliothek der Welt gewählte Zweigstelle „Oodi“ in Helsinki eröffnet. Was für mich und Frau Büning Anlass war, nach Helsinki zu reisen und uns auch drei finnische Bibliotheken einmal näher anzuschauen.
Unsere Eindrücke der besichtigten Bibliotheken möchten wir natürlich nicht für uns behalten und sie gerne auf dieser Plattform mit Ihnen teilen. In den kommenden Wochen werden Sie also an dieser Stelle Blogbeiträge zu lesen bekommen, in denen wir versuchen zu vermitteln, wie die gesehenen Bibliotheken im Ausland arbeiten und (besonders aus meiner Sicht beschrieben) räumlich gestaltet werden.
Zu Beginn ist es vielleicht gut, kurz zu beschreiben, wie sich wesentliche Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu unseren Öffentlichen Bibliotheken darstellen.
Die Ziele, die Öffentliche Bibliotheken verfolgen, sind in der Regel die gleichen. Man möchte das Lesen fördern, schon von klein auf. Informationen sollen möglichst uneingeschränkt zur Verfügung stehen und Öffentliche Bibliotheken sollen ein Aufenthaltsort in der Kommune sein.
Den niederländischen Bibliotheken steht hierfür im Gegensatz zu den meisten unserer Öffentlichen Bibliotheken mehr Geld zur Verfügung. Zum einen durch die Kommunen, zum anderen sind die Bibliotheksgebühren für die Nutzer im Vergleich zu deutschen Bibliotheken verhältnismäßig hoch. In der OBA (Openbare Bibliotheek Amsterdam) z.B. können die Nutzer zwischen verschiedenen Tarifen wählen. Für 33 Euro/ Jahr können die Nutzer nur eine begrenzte Medienanzahl von 50 Medien im Jahr ausleihen und nicht mehr als 10 pro Bibliotheksbesuch. Im „OBA Total“ Tarif (für 43 Euro/ Jahr) hingegen ist die Medienanzahl für die Ausleihe zwar pro Besuch auf 10 ME begrenzt, jedoch für das gesamte Jahr nicht limitiert. Kinder und Jugendliche leihen, wie auch in den meisten unserer Bibliotheken kostenfrei aus.
In den finnischen Bibliotheken stellt es sich noch einmal ganz anders dar. Hier zahlen die Nutzer, egal welcher Altersklasse sie angehören, keine Nutzergebühren für die Öffentliche Bibliothek. Die Gebühren sind sozusagen bereits mit den Steuern beglichen. Man muss sich lediglich anmelden, um Medien ausleihen zu können. Dafür sind einige Sonderleistungen, wie das Buchen bestimmter Räume eventuell mit Kosten verbunden.
Das Bibliothekspersonal war in allen von uns besichtigten Bibliotheken auf der Fläche gut erkennbar, da es entweder einheitliche Oberteile trug oder eine Art Uniform. Das Thema der Berufskleidung wird bei uns zulande ja mitunter sehr kritisch betrachtet. Auf Nachfrage, wie die Mitarbeiter das Thema der Berufskleidung sehen, wurde uns in der OBA erklärt, dass diese absolut kein Problem damit haben. Es wird den Mitarbeitern nur eingeschränkt vorgeschrieben, was Sie zu tragen haben. Jeder kann seinem Kleidungsstil gerecht auswählen, ob er lieber ein T-Shirt tragen möchte oder doch lieber ein Poloshirt, eine Bluse, ein Hemd, ein Jackett oder eine Strickjacke. Es gibt eine große Auswahl an Kleidungsstücken, die mit dem Logo der Bibliothek versehen sind.
Und die Nutzer freuen sich über den Service, denn so ist gerade in einem großen Haus wie der OBA, wo das Personal sich viel auf der Publikumsfläche bewegt und nicht nur hinter einer Servicetheke zu finden ist, ein Ansprechpartner leicht zu erkennen.
Was das Thema der Aufenthaltsqualität angeht, so lässt sich feststellen, dass viele der niederländischen Bibliotheken ein extern betriebenes Lesecafé in Ihren Räumlichkeiten haben. Also nicht nur den bei uns häufig gesehenen Kaffeeautomaten, sondern eine Theke an der Getränke und auch Speisen während der Öffnungszeiten verkauft werden. Die Sitzplätze in diesem Bereich werden gerne angenommen, da auch hier, anders als in außenliegenden Cafés, kein Konsumzwang herrscht. Ein Nebeneffekt: Es riecht herrlich nach Kaffee, was für eine gemütliche Atmosphäre sorgt.
In Finnland haben wir dann noch einen komplett anderen Typ Bibliothek kennengelernt. Die Iso Omena Library in Espoo liegt in einem Einkaufszentrum. Einkaufszentren gibt es in Finnland viele und sie erfüllen hier vielmehr den Zweck eines kommunalen Treffpunktes, als sie es bei uns tun, was mitunter den finnischen Wetterverhältnissen geschuldet ist. Das vierte Obergeschoss dieses Einkaufszentrums in Espoo wird zum Großteil durch die Bibliothek bespielt. Sie bildet hier das Zentrum des Iso Omena Service Center. Darum herum liegen Einrichtungen für die Bürger, wie eine Klinik für werdende Mütter und Kinder, diverse andere Gesundheitseinrichtungen, ein Jugendzentrum oder ein Service-Center für Neubürger in Finnland. Es können Meeting-Räume angemietet und für berufliche Termine genutzt werden und es gibt ein Aufnahmestudio für Musiker. Zwischen all diesen Randbereichen, befinden sich im Kern die klassische Medienaufstellung, Aufenthaltsbereiche, die als Wartezonen genutzt werden können und Nutzerarbeitsplätze. Hier fungiert die Bibliothek als Kommunales Bürger- und Kommunikationscenter.
Sie sehen, es gibt neben vielen Ähnlichkeiten auch diverse Unterschiede. Diese alle im Detail zu benennen, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. In den kommenden Wochen werden wir Ihnen aber vier Bibliotheken noch einmal etwas genauer vorstellen. Und ich kann jedem, dem sich die Möglichkeit bietet nur empfehlen, sich Bibliotheken in den Niederlanden, Finnland oder auch Norwegen einmal vor Ort anzusehen und sich selbst einen Eindruck zu machen.