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Der Makerspace in der Stadtbibliothek Neuss: Ein Kreativraum zum Nähen, Programmieren, Spielen, Bauen und mehr

Die Entwicklung von Bibliotheken zum „Dritten Ort“ neben dem Zuhause und dem Arbeitsplatz oder der Schule wird immer wichtiger und eröffnet Bibliotheken Chancen, sich auf verschiedene Art und Weise neu zu erfinden, auf veränderte Erwartungshaltungen und Nutzungsgewohnheiten zu reagieren und dabei die eigene Position im kommunalen Gefüge zu stärken. Eine Möglichkeit, die Weiterentwicklung von Bibliotheken zu einem Ort der kulturellen Bildung, der gesellschaftlichen Teilhabe, des Lernens und zu einem generationsübergreifenden Treffpunkt voranzutreiben, besteht in der Einrichtung eines Makerspace. Der vorliegende Beitrag stellt das Konzept „Aufbau eines Makerspace in der Stadtbibliothek Neuss“ vor, das mit Hilfe der Landesförderung umgesetzt wurde.

Vorüberlegungen

Im Jahr 2019 stellte die Stadtbibliothek Neuss erste konkrete Überlegungen zu einer Einrichtung eines Makerspaces an, die als Grundlage für den im gleichen Jahr bei der Bezirksregierung eingereichten Projektantrag dienten. Das Ziel dieses Projekts war es, Menschen generationsübergreifend im neu einzurichtenden Makerspace zusammenzuführen.

Neben der Zieldefinition beinhalteten diese Vorüberlegungen verschiedene Aspekte, u.a. die Installation einer Arbeitsgruppe im Bibliotheksteam, aber auch die Marktsichtung von Medien, Möbeln und technischen Geräten. Besonderes Augenmerk wurde auf die Gespräche mit innerstädtischen Institutionen gelegt, die einerseits für eine mögliche Kooperation geeignet waren, andererseits aber auch im Hinblick auf die interne Weiterentwicklung des Veranstaltungskonzepts berücksichtigt werden mussten. So konnten bereits in der Definitionsphase Vorkehrungen getroffen werden, um zukünftige Überschneidungen zwischen den Veranstaltungen der Stadtbibliothek und beispielsweise den Programmen der VHS Neuss oder anderen Einrichtungen zu vermeiden. Auch wurden mögliche Nutzungsbedingungen beschrieben, die für eine zukünftige Benutzung des Makerspaces berücksichtigt werden müssen, die Themenfelder hinsichtlich des inhaltlichen Aufbaus definiert und geeignete Instrumente und Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit (Massenmails, Social-Media-Kanäle, Pressemitteilungen etc.) aufgeführt.

Abgerundet wurde die Projektbeschreibung mit einer groben zeitlichen Einteilung in Form einer Grafik, in der die Vorüberlegungen sowie die einzelnen Schritte in der ersten bzw. zweiten Hälfte des Jahres 2020 genannt wurden, die nach dem Vorliegen des Zuwendungsbescheides umgesetzt werden sollten. Für die offizielle Eröffnung und Inbetriebnahme des Makerspaces war der Herbst 2020 vorgesehen. Zum Zeitpunkt der Antragsstellung ahnte jedoch noch niemand etwas von den mit der bevorstehenden Corona-Pandemie einhergehenden Auswirkungen auf nahezu alle Lebensbereiche, in deren Folge auch der Aufbau des Makerspaces in der Stadtbibliothek Neuss zum Teil anders verlief, als ursprünglich geplant.

Aufbau des Makerpace

Nachdem die Vorüberlegungen weitestgehend abgeschlossen und der Zuwendungsbescheid erteilt wurde, wurde innerhalb des Bibliotheksteams eine Arbeitsgruppe gebildet, deren Mitglieder als Ansprechpersonen für verschiedene Aspekte rund um den Makerspace fungieren. Ein Mitglied dieser Arbeitsgruppe ist die hauptverantwortliche „Makerspace-Beauftragte“, die für die inhaltliche Ausrichtung des Makerspaces zuständig ist, den Makerspace nach außen aber auch nach innen repräsentiert und die Vorstellungen und Wünsche Interessierter bei der Weiterentwicklung berücksichtigt.

Im Anschluss daran rückte die Bestellung von Medien, technischen Gerätschaften und Möbeln in den Vordergrund. Von Sitzgelegenheiten, Tischen und Aufbewahrungsmöglichkeiten wie Schränken abgesehen, die zur Grundausstattung jedes Makerspaces gehören, waren die bereits angesprochenen Themenfelder bei der Beschaffung einer Vielzahl unterschiedlichster Gegenstände ausschlaggebend, die größtenteils in der zweiten Jahreshälfte 2020 angeschafft wurden.

Jeder dieser angeschafften Gegenstände lässt sich primär einem Themenfeld zuordnen. Bei der Auswahl wurde allerdings auch berücksichtigt, dass der Einsatz in anderen Bereichen möglich oder sogar erwünscht ist.

So wurde im Bereich Technische Angebote und Digitalisierung u.a. eine Digitalisierungsstation erworben und aufgebaut, mit der Interessierte die auf Musik-CDs, Schallplatten und VHS-Kassetten gespeicherten Daten in ein digitales Format konvertieren und so längerfristig sichern. Aber auch 3D-Drucker, die zusätzlich im Do-It-Yourself-Bereich Anwendung finden, sowie Notebooks und Tablets, die im Zusammenhang mit verschiedenen Veranstaltungen im Themenfeld Coding und Programmierung eingesetzt werden, gehörten zu den angeschafften technischen Gegenständen.

Speziell für den Do-It-Yourself-Bereich wurden Nähmaschinen und entsprechendes Zubehör erworben und bereitgestellt, mit denen Interessierte sowohl alleine als auch in Gruppen textile Handarbeiten durchführen. Mittels der verfügbaren UV-Lampen lässt sich spezielles Harz härten, das zur Herstellung von kleineren, farbenfrohen Objekten wie Schlüsselanhängern oder Schmuck geeignet ist. Ferner gehört auch eine Vielzahl an Experimentierkästen dazu, mit denen das Interesse von Kindern und Jugendlichen für den MINT-Bereich geweckt wird. Die beschafften Handschleifmaschinen finden auch im Bereich Urban Gardening Verwendung.

Für den Bereich Serious Games (dt.: Lernspiele) wurde der Fokus auf den Gaming-Aspekt gelegt, bei dem das spielerische Lernen einen zentralen Stellenwert innehat. Geplant war die Anschaffung aktueller Konsolen, VR-Brillen sowie der entsprechenden Spiele und Software, die schließlich in den vom Makerspace räumlich getrennten Gaming-Bereich der Stadtbibliothek Neuss, der „Spielunke“, integriert werden sollte.

Bedauerlicherweise ließ sich dieses Handlungsfeld coronabedingt jedoch nur teilweise realisieren. Einige der Spielekonsolen, etwa die PlayStation 5 und die Xbox Series X, konnten aufgrund von Lieferengpässen nicht erworben werden, sodass ein Änderungsantrag notwendig wurde. Auch konnte der Gaming-Bereich seit Beginn der Corona-Pandemie aufgrund der Hygieneschutzbestimmungen nicht genutzt werden, sodass ursprünglich geplante Veranstaltungen in modifizierter Form im Makerspace selbst durchgeführt wurden.

Im Handlungsfeld Coding und Programmierung steht ebenfalls das Lernen im Vordergrund: Es wurden diverse Lernroboter angeschafft, darunter mehrere Bee-Bots, Wireless Thymios und je ein Klassensatz Ozobot Bit und Ozobot Evo. Kinder, Jugendliche aber auch interessierte Erwachsene erlernen mithilfe dieser Roboter spielerisch die Grundlagen des Programmierens. Einige dieser Modelle können mit den bereitgestellten Notebooks und Tablets verknüpft werden, was weitere Funktionen eröffnet. Ergänzend dazu wurden verschiedene Raspberry Pi-Komponenten erworben, mit denen zusätzlich zum Erwerb von Programmierkenntnissen auch der Umgang mit Hardware erprobt wird.

Die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz genießen im gesellschaftlichen Diskurs aktuell einen besonders hohen Stellenwert und sind nicht zuletzt deshalb auch für Bibliotheken interessant. Infolgedessen wurden im Bereich Urban Gardening Möbelpaletten und Pflanzeinsätze angeschafft, die unter Verwendung der u.a. zum Do-It-Yourself-Bereich gehörigen Werkzeuge von Kindern unter Begleitung bearbeitet und gestaltet wurden und nun als mobile Regalbeete die Bibliothek zieren und gleichzeitig die Funktion von Raumtrennern innehaben.

Stolz präsentieren die Kinder ihr mobiles Regalbeet aus Paletten.

Hinsichtlich der Bibliothek der Dinge wurde ein neues Lektorat, „Makerspace“ geschaffen und in das Bibliothekssystem der Stadtbibliothek Neuss integriert. Damit einhergehend wurden diverse (technische) Gegenstände inventarisiert, deren Anschaffung für den Einzelnen aus verschiedenen Gründen eher nicht geeignet sind und die nun von Interessierten in der Stadtbibliothek entliehen werden.

Veranstaltungen im Makerspace

Die im Projektantrag skizzierte Zeitschiene sah eine offizielle Eröffnung des Makerspaces im Herbst 2020 vor, allerdings führten mehrere, auch mehrmonatige Schließungen der Bibliothek und die damit verbundene pandemiebedingte Umstrukturierung des Dienstleistungsspektrums hin zu überwiegend digitalen Ausprägungen zu einer allgemeinen Verzögerung des Zeitplans. Zwar erfolgte der Aufbau der Themenfelder im Jahr 2020, jedoch konnten die ersten Veranstaltungen erst im Frühjahr 2021 durchgeführt werden.

Zur Nacht der Bibliotheken am 19. März 2021 wurde der Makerspace erstmalig der Öffentlichkeit vorgestellt. Da zu diesem Zeitpunkt ein Publikumsverkehr innerhalb der Bibliothek coronabedingt nicht möglich war, wurden einige Tutorial-Videos im Makerspace aufgezeichnet, um die verschiedenen Veranstaltungsformate, die in vergleichbarer Form im weiteren Verlauf des Jahres auch vor Ort realisiert wurden, vorzustellen. Diese Videos sind über den YouTube-Kanal der Stadtbibliothek Neuss abrufbar.[2] Einige der in den Videos dargestellten Personen konnten direkt als ehrenamtlich Interessierte für den Makerspace gewonnen werden.

Im weiteren Verlauf des Jahres wurde eine Vielzahl unterschiedlicher Veranstaltungen im Makerspace durchgeführt. Unter Begleitung einer Werbekampagne, die über die Social-Media-Kanäle der Bibliothek, über Pressemitteilungen, Massenmails und über Aushänge an die Öffentlichkeit kommuniziert wurde, erfolgte die offizielle Eröffnung des Makerspaces im Herbst 2021. Zum Tag der Eröffnung wurden im Rahmen mehrerer Familienveranstaltungen und mit tatkräftiger ehrenamtlicher Mithilfe u.a. Schnuffelkissen für Tiere genäht, die 3D-Drucker vorgestellt, Lernroboter programmiert und das Wissen zum Bau einer eigenen Spielekonsole mittels Klemmbausteinen und Raspberry Pi-Komponenten vermittelt.

Die nachfolgenden Bilder gewähren einen Einblick in die bisher im Makerspace durchgeführten Veranstaltungen.

Schlussbetrachtung und Ausblick

Der ursprüngliche Zeitplan eine Eröffnung des Makerspaces im Herbst 2020 vor, was coronabedingt jedoch nicht realisiert werden konnte. Tatsächlich verschob sich die geplante Eröffnung um ein Jahr, sodass der Makerspace schließlich im Herbst 2021 offiziell eröffnet wurde. Die Inbetriebnahme hingegen konnte bereits ab dem Frühjahr 2021 erfolgen, zunächst wohl zuerst in einer digitalen Variante, im weiteren Verlauf des Jahres wurde jedoch die Durchführung von Veranstaltungen vor Ort endlich möglich.

Obschon die Nutzungszahlen von Veranstaltungsangeboten in der Corona-Pandemie bei allen Kultureinrichtungen generell spürbar zurückgingen, lässt sich inzwischen wieder ein leichter Anstieg verzeichnen, der Anlass zu verhaltenem Optimismus gibt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt, ein Jahr nach der ersten Nutzung des Makerspaces, finden mit steigender Tendenz ca. 1/3 aller Veranstaltungen der Stadtbibliothek Neuss im Makerspace statt. Der Makerspace ist somit zu einer tragenden Säule innerhalb des Veranstaltungsspektrums der Stadtbibliothek Neuss geworden und wird von Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und Familien rege genutzt.

Die Stadtbibliothek Neuss dankt dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen vielmals für die Bereitstellung der finanziellen Mittel im Rahmen der Bibliotheksförderung und den Ansprechpersonen der Fachstelle für Öffentliche Bibliotheken NRW für die Beratung und Unterstützung hinsichtlich jeglicher die Förderung betreffender Fragestellungen. Insbesondere möchte sich die Stadtbibliothek Neuss für die Flexibilität unter Berücksichtigung der coronabedingten Umstände und die Bereitschaft zur Verlängerung des Durchführungszeitraumes bedanken, die einen erfolgreichen Abschluss des Projektes „Aufbau eines Makerspaces in der Stadtbibliothek Neuss“ erst ermöglichten.

Ansprechpartnerin:
Claudia Büchel (M.LIS)
Bibliotheksleitung
Stadtbibliothek Neuss
Neumarkt 10
41460 Neuss
Telefon: 02131 90-4200
Telefax: 02131 90-2471

www.stadtbibliothek-neuss.de

www.onleihe.de/neuss

de.wikipedia.org/wiki/Stadtbibliothek_Neuss

www.facebook.com/bibneuss

www.instagram.com/stadtbibliothekneuss/

www.twitter.com/stbneusswww.youtube.com/user/StadtbibliothekNeuss


[1] Das Urheberrecht aller Bilder liegt bei der Stadtbibliothek Neuss. Eine Weiterverwendung nach der Lizenz CC BY-SA 4.0 ist möglich.

[2] Vgl. https://www.youtube.com/channel/UCRnPHh50FG2WqGABNvjjQLA

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