Das Land Nordrhein-Westfalen unterstützt die Entwicklung Öffentlicher Bibliotheken u.a. durch die finanzielle Förderung von innovativen Projekten. Die Fachstelle für Öffentliche Bibliotheken NRW stellt in lockerer Reihenfolge interessante Praxisbeispiele aus verschiedenen Förderprogrammen in Form von Gastbeiträgen auf ihrem Blog vor. Der vorliegende Beitrag stellt das Kooperationsprojekt der Bibliotheken in Borken, Geldern, Lüdinghausen, Ochtrup und Raesfeld vor. Gemeinsam haben sie das Kulturgut „Spiele“ oder auf Neu-Deutsch „Gaming“ in den Mittelpunkt gerückt.
Gaming in Bibliotheken – Warum eigentlich?
Fünf hauptamtlich geleitete Katholische Öffentliche Bibliotheken des Bistums Münster – aus Borken, Geldern, Lüdinghausen, Ochtrup und Raesfeld – hatten im Jahr 2014 unterschiedliche Beweggründe, sich mit dem Thema „Gaming in Bibliotheken“ zu befassen: Einerseits waren wir aus Raesfeld und Borken im „Lernort-Projekt“ des Landes NRW immer wieder vom Coach Christoph Deeg darauf hingewiesen worden, dass Gaming ein relevantes Thema sei und für Bibliotheken hohes Potenzial berge. Andererseits fühlten sich die meisten von uns Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dem Thema nicht gewachsen – was zumindest digitale Konsolenspiele angeht, denn analoge Brettspiele haben Öffentliche Bibliotheken traditionell im Bestand. Das in allen Bibliotheken wahrnehmbare geänderte Mediennutzungsverhalten und die kontroversen Diskussionen („Die Kinder hängen nur noch an der Spielekonsole…“) waren ebenso wichtige Anlässe, sich mit der Thematik zu beschäftigen. Getreu dem Motto „Gemeinsam sind wir stark“ wollten wir uns in einem Verbund den #gamingwahnsinn antun, schließlich waren wir in der Zusammenarbeit schon teilweise durch „Lernort-Projekt“ und Onleihe-Verbund erprobt. An der unterschiedlichen Ausstattung der Bibliotheken wurde schnell deutlich, dass für dieses Projekt sowohl professionelle Begleitung als auch finanzielle Unterstützung von Nöten war. So lag der Wunsch nahe, beim Land NRW eine Förderung zu beantragen.
Games gehören zum Kulturgut unserer Gesellschaft
Öffentliche Bibliotheken sind schon seit Jahren und Jahrzehnten Vermittler von Medienkompetenz und agieren daher als Schnittstelle zwischen der analogen und digitalen Welt. Das über allen Projektplanungen und -aktivitäten schwebende Hauptziel der Büchereien war, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Games zum Kulturgut unserer Gesellschaft und deshalb selbstverständlich auch in Öffentliche Bibliotheken gehören. Das würde viel Überzeugungsarbeit bedeuten: für uns selbst, bei unseren haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter/innen sowie bei Nutzerinnen und Nutzern. Wir wollten herausfinden und überprüfen: Welchen Wert haben Games in Öffentlichen Bibliotheken und für die bibliothekarische Arbeit? Welche spielerischen Elemente lassen sich in den Arbeitsalltag integrieren, welche positiven Erlebnisse können mit Games und Events bei Kindern und Erwachsenen erzielt werden? Mit dem Projekt sollte die Bücherei sowohl als Ort der Begegnung, als auch als Lernort im ländlichen Raum ausgebaut und etabliert werden.
Die Faszination beim Spielen
Ein zweitägiger Auftakt-Workshop mit Christoph Deeg diente der Orientierung: Was ist die Faszination beim Spielen (analog/digital)? Welche Konsolen, welche Spiel-Kategorien gibt es und wie funktionieren sie? Selbst ausprobieren war hierbei die Devise: In Abwesenheit von möglicherweise kritischen Bibliotheksbesuchern spielten wir uns an Gameboy, XBox, Playstation, Wii und PC von der Ahnungslosigkeit (O-Ton bei Fifa: „Wie kann ich denn hier den Ball schießen?“) auf das erste Erfolgslevel („Ich bin ohne Unfall bis ins Ziel gekommen!“) bis zur Verzweiflung („Wie komme ich denn auf die andere Seite? Ich bin schon wieder abgestürzt!“).
Gemeinsames Spielen – ein besonderes Familienerlebnis
Nach diesem Intro wurden die ersten Maßnahmen festgezurrt: Auswahl und Beschaffung von Konsolen, iPads, Monitoren, Medienschränken, Sitzmöbeln und natürlich den dazugehörigen Spielen. Denn es war klar, dass auf jeden Fall in jede Bibliothek die Möglichkeit zum Zocken gegeben und Konsolen samt Mobiliar möglichst flexibel einsetzbar sein sollten. Verschiedene Aufgaben wurden auf die Bibliotheken verteilt: Erstellen von Flyern und Roll-Up, Preisvergleich und Bestellen von Technik, Medien und Möbeln. Mit Plakaten und Flyern warben wir für das Gaming-Projekt und die jeweilige Auftaktveranstaltung in den Büchereien. Der Öffentlichkeit wollten wir den Projektstart sichtbar und zum Mitmachen präsentieren. So feierte jede Bibliothek an einem Samstag bzw. Sonntag nach den Sommerferien den Auftakt mit kleinen kulinarischen Anreizen (Waffeln, Würstchen, Cocktails usw.) und natürlich ganz viel Zocken. Dafür war aus jeder Bibliothek mindestens ein/e Kollege/in mit technischem Equipment zur Unterstützung angereist, so dass an mehreren Konsolen gespielt werden konnte. Für einige Stammkunden wurde das gemeinsame Spielen und Ausprobieren so zu einem besonderen Familienerlebnis.
Zockerhelden und Unerfahrene gemeinsam am Start
In den weiteren Workshops mit unserem Coach reflektierten wir die ersten Erfahrungen, und die Auftaktveranstaltungen und entwickelten den Projektverlauf weiter: Weil das Spielen im Team mehr Spaß macht und echte Herausforderungen den Reiz ausmachen, lag es nahe, dass die fünf Bibliotheken in einem Turnier gegeneinander antreten sollten. Seit Januar 2016 sind wir nun dabei, ein schlagkräftiges Team zusammen zu stellen. Zocker-Helden und Unerfahrene aller Altersgruppen sind eingeladen, sich ihrem Bibliotheksteam anzuschließen und zu trainieren. Dabei kommen sowohl analoge Spiele wie Kniffel, Mensch-Ärgere-Dich-Nicht und Canasta als auch digitale Spiele wie Fifa, Minecraft und Kinect Sports Rivals zum Einsatz. Bei den ersten Trainingseinheiten stellte sich schnell heraus, dass gemeinsames Spielen selbstverständlich zwischen „Alt“ und „Jung“ und mit noch fremden Menschen funktioniert. Respektvoll erklären die Konsolen-Zocker, wie man in Minecraft baut, um sich dann in die Spielregeln von Canasta einweihen zu lassen. So bereiten die Bibliotheken ihre Teams auf den Projekthöhepunkt, das große Finale am 25. September 2016 in Borken vor und begleiten das Projekt auf dem Blog https://gamingbibliothek.wordpress.com/
Ohne verwaltungstechnische Verrenkungen geht es nicht
Nicht verschwiegen werden soll an dieser Stelle, dass – wie bei den meisten Projekten – neben erwarteten Herausforderungen wie Zeitmangel auch unvorhersehbare Ereignisse und Hürden die Projektarbeit erschweren: Die hohe Anzahl an Flüchtlingen in den Gemeinden und Kommunen beanspruchte sowohl in den Bibliotheken als auch bei den Kooperationspartnern sämtliche Ressourcen und setzte erst einmal andere Prioritäten. Außerdem kam es zu personellen Engpässen in den Bibliotheken, wenn ursprünglich eingeplante ehrenamtliche Mitarbeiterinnen durch Wegzug nicht mehr zur Verfügung standen. Neue bürokratische Probleme wollten gelöst werden: Zeitraubend und kompliziert war mitunter die Bestellung von Zubehör wie Guthabenkarten für die Konsolen und für Retro-Gaming-Pakete. Weil hierfür eine authentifizierte Anmeldung einer erwachsenen Person erforderlich ist, bedurfte es zahlreicher Telefonate und verwaltungstechnischer Verrenkungen, um als Institution bestellen zu können.
Der Münsterländer an sich spielt mehr als Doppelkopf und Skat
Wir haben über den sprichwörtlichen Tellerrad geschaut und uns in eine neue Welt begeben, haben dabei viel gelernt und lernen immer noch: über Konsolen, Games und Spielkonzepte, über die Zusammenarbeit auf Online-Plattformen.
Wir haben festgestellt, dass Spielen selbstverständlich generationsübergreifend funktioniert und dass der Münsterländer an sich doch mehr spielt als Doppelkopf und Skat. Wir haben erlebt, wie Väter und Mütter beim Anblick einer Carrerabahn vor Begeisterung strahlen, während ihre Kinder am Sega-Mega-Drive pixelige Figuren fasziniert rennen und hüpfen lassen. Und nebenbei haben wir Aspekte des Spielens (Teambuilding, Teamchallenge, Punkte-Scoring, Programmieren) zur Freude von Kindern, Lehrern/innen und Bibliothekaren/innen in Klassen- und Gruppenführungen eingebaut.
Und nicht zuletzt: Spielen ist nicht „vergeudete Zeit“, sondern bedeutet Lernen mit Spaß.
In diesem Sinne danken wir dem Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen für die Ermöglichung des Projekts und unserem Coach Christoph Deeg für die professionelle Begleitung, die dem Projekt Struktur gab und das Ziel stets im Auge behielt.
Es grüßen die Borkener Turmhelden, das Drachenteam Geldern, die Lüdinghauser Teufelsgaukler, Friendly Dominaton Ochtrup und die Raesfelder Recken.
Die Bibliotheken Borken, Geldern, Lüdinghausen, Ochtrup und Raesfeld stellen sich vor:
Borken liegt als Kreisstadt des Kreises Borken im Regierungsbezirk Münster. Hier wohnen ca. 42 272 Menschen. In der Remigius Bücherei arbeiten zwei Bibliothekaren, einer Informationsmanagerin, einer Assistentin an Bibliotheken und 47 Ehrenamtlichen. 2002 feierte die Bücherei 150 jähriges Bestehen im Ort.
Geldern ist mit 33 841 Einwohner eine mittlere kreisangehörige Stadt im Kreis Kleve. Die Öffentliche Bücherei Geldern ist in Trägerschaft der Katholischen Kirchengemeinde St. Maria Magdalena und ist so dem Bistum Münster untergeordnet. Innerhalb der Bücherei arbeiten fünf Mitarbeiterinnen. Unterstützt werden die Mitarbeiterinnen durch eine Vielzahl von ehrenamtlichen Helfern.
Mit 24 263 Einwohnern ist Lüdinghausen die drittgrößte Stadt im Kreis Coesfeld im Regierungsbezirk Münster. In Trägerschaft der katholische Kirchengemeinde St. Felizitas arbeiten sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Bereitstellung eines Kultur- und Bildungsangebotes in der Stadtbücherei der Stadt Lüdinghausen. Unterstützung erhalten Sie dabei von vielen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Seit 2004 bildet die Stadtbücherei Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste aus.
Ochtrup ist als kreisangehörige Stadt des Kreises Steinfurt im Grenzgebiet zu Niedersachsen und den Niederlanden einzuordnen. Die Bücherei in Trägerschaft der St. Lambertus versorgt mit ca. 40.000 Medien die 19 599 Einwohnern der Stadt Ochtrup. In ihrer 160 jährigen Geschichte ist die Bücherei bereits sechs Mal umgezogen. Unterstützung in der täglichen Arbeit erhalten die drei Beschäftigten der Bücherei durch ca. 40 Ehrenamtliche.
Raesfeld ist mit 11 378 Einwohnern die zweitgrößte Gemeinde des Kreises Borken im Westen des Regierungsbezirks Münster. Die Öffentliche Bücherei Raesfeld wird als Bildungseinrichtung der Katholischen Kirchgemeinde St. Martin Raesfeld und Rhedebrügge in Zusammenarbeit mit der Kath. Kirchengemeinde St. Silvester in Erle, der Ev. Kirchengemeinde Raesfeld und der Gemeinde Raesfeld betrieben. Die zwei Standorte in Raesfeld und Erle werden von einer Diplom-Bibliothekarin geleitet, welche in ihrer Arbeit durch 34 ehrenamtlich Beschäftigte unterstützt wird.
Weitere Informationen auf den Webseite der Bibliotheken unter:
- Borken: https://remigiusbuecherei.wordpress.com/
- Geldern: http://www.buecherei-geldern.de/
- Lüdinghausen: http://www.buecherei-lh.de/
- Ochtrup: https://buecherei-ochtrup.de/
- Raesfeld: http://www.buecherei-raesfeld.de/
Facebook-Seiten der Bibliotheken unter:
- Borken und Raesfeld: https://www.facebook.com/Muensterlaender.Bibliothekshelden
- Lüdinghausen: https://www.facebook.com/buecherei.lh
- Ochtrup: https://www.facebook.com/lambertibuecherei
Blogs der Bibliotheken:
Ansprechpartner:
Angela Hoves
Remigus Bücherei Borken
Am Vennehof 1
46325 Borken
E-Mail: hoves-a[at]bistum-muenster.de
Daniela Verhoeven
Katholische Öffentliche Bücherei
Kirchplatz 2
47608 Geldern
E-Mail: verhoeven[a7t]bistum-muenster.de
Peter Mählmann
Stadtbücherei St. Felizitas
Steverstraße 31
59348 Lüdinghausen
E-Mail: maehlmann[at]bistum-muenster.de
Olaf Lewejohann
Bücherei St. Lamberti
Marktstraße 8
48607 Ochtrup
E-Mail: lewejohann[at]bistum-muenster.de
Jutta Weber
Öffentliche Bücherei
Weseler Straße 34
46348 Raesfeld
E-Mail: buecherei[at]raesfeld.de