Das Land Nordrhein-Westfalen unterstützt die Entwicklung Öffentlicher Bibliotheken u.a. durch die finanzielle Förderung von innovativen Projekten. Die Fachstelle für Öffentliche Bibliotheken NRW stellt in lockerer Reihenfolge interessante Praxisbeispiele aus verschiedenen Förderprogrammen in Form von Gastbeiträgen auf ihrem Blog vor. Der vorliegende Beitrag stellt das Konzept der Stadtbibliothek Aachen zur Einrichtung der neuen Jugendbibliothek youthfactory vor.
Am Anfang stand ein Besuch der neuen Freestyle Jugendbibliothek in Düsseldorf-Benrath (2003) und der Wunsch: das soll in Aachen auch eingerichtet werden. Am Ende steht die neue youthfactory in der Stadtbibliothek Aachen, die am 25.01.2018 eröffnet wurde. Dazwischen war es a hell of a long way!
Allgemeine Rahmenbedingungen
Das Aachener Bibliothekssystem umfasst neben einer Zentralbibliothek -bestehend aus Erwachsenenbibliothek, Musikbibliothek, Kinder- und Jugendbibliothek- weiterhin den Bücherbus FABIAN, zwei Stadtteilbibliotheken und vier Nebenstellen.
Das bibliothekarische Programm der Bibliothek spricht grundsätzlich Bürgerinnen und Bürger jeden Alters, aller sozialen Schichten und aller Bildungsgrade an.
Nach einer langjährigen stabilen Aufwärtsentwicklung sah sich die Stadtbibliothek Aachen mit zurückgehenden Ausleihen in ihren Einrichtungen konfrontiert. Dieser Trend konnte trotz aller bisher unternommenen Schritte zwar eindeutig verlangsamt, aber nicht umgekehrt werden. Dringend galt es daher noch umfassendere Maßnahmen zu ergreifen, um die verlorenen Leser zurückzuholen, das vorhandene Leserpotential zu binden und verstärkt neue Kunden zu gewinnen. Die Bibliothek hatte den zuständigen Kulturausschuss detailliert über diese Lage informiert und einen umfangreichen Maßnahmenkatalog vorgestellt.
Eine dieser Maßnahmen betraf die Trennung von Kinder- und Jugendbibliothek.
Der Publikumsbereich der Stadtbibliothek Aachen zieht sich über 4 Etagen mit etwa 4.100m². Im Erdgeschoss befand sich die räumlich kombinierte Kinder- und Jugendbibliothek. Das vermischte Medienangebot berücksichtigte zwar die Belange von Jugendlichen, aber sie fühlten sich nicht als eigenständige Zielgruppe wahrgenommen und durch die beengte Situation und unmittelbare Nähe zur Verbuchungstheke konnte ihnen kein eigener Aufenthaltsbereich geboten werden.
Es musste sich etwas ändern.
Die Planung
Die Planungen für eine eigene Jugendbibliothek begannen mit verschiedenen Dienstreisen und Besichtigungen der Stadtbibliotheken Düsseldorf, Bonn, Düren und Stuttgart, sowie der Teilnahme an der Veranstaltung „Wir hier – Zukunft Aachen“. Bei dieser Veranstaltung haben die Aachener Nachrichten zusammen mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen die Ergebnisse einer Befragung von Aachener Kinder und Jugendlichen der 4. und 9. Jahrgangsstufe zu ihrer Lebenssituation in Aachen vorgestellt.
Eine als Pilotprojekt bei der Stadt Aachen durchgeführte Online-Umfrage unter den 12- bis 25-jährigen, die die Zielgruppe des Projekts bilden, machte im Sommer 2015 schnell klar, dass eine Jugendbibliothek räumlich getrennt von einer Kinderbibliothek gewünscht wurde, die als attraktiver Aufenthaltsort und Treffpunkt die Freizeitgestaltung ermöglicht und fördert.
Die Suche nach einem Raum
Nach eingehenden Prüfungen aller Standortmöglichkeiten und im Zuge der Umstrukturierung der Fernleihe, die durch die zunehmenden Digitalisierung immer weniger Platz brauchte, stand ein Bereich für eine neue Jugendbibliothek zur Verfügung.
In der Kinder- und Jugendbibliothek wurde der Sachbuchbestand der Klassen 9 und 10 in den Erwachsenenbereich verlagert, um die gewünschte räumliche Trennung auch hier deutlich zu machen. Die Jugendlichen sollten die Lernarbeitsplätze auf den Etagen nutzen und zur Freizeitgestaltung einen eigenen Raum bekommen. Was jetzt noch fehlte, waren die nötigen Mittel.
Im November 2016 stellte die Stadtbibliothek Aachen einen Antrag auf Förderung bei der Bezirksregierung Düsseldorf. Das nahm die inzwischen gebildete Arbeitsgruppe Ju+ zum Anlass, mit den Planungen zur Ausstattung und Inneneinrichtung einer Jugendbibliothek zu beginnen. Erfreulicherweise setzte sich die Arbeitsgruppe nicht nur aus Mitarbeiter*innen der Kinder- und Jugendbibliothek zusammen, sondern auch aus Mitarbeiter*innen anderer Abteilungen.
Nach verschiedenen Dienstreisen der AG, Sichtung von Katalogen, unzähligen Besprechungen und Diskussionen und unter Einsatz des IKEA-Küchenplaners stand die Richtung fest:
Die neue Jugendbibliothek für die 12- bis 25-jährigen soll stylish sein und sich am Fabrikhallen-Stil mit nötiger Flexibilität zum Neuarrangieren orientieren. Sie soll verschiedene Spieleangebote zum Entleihen und Vor-Ort Spielen, ein umfangreiches Multimedia-Angebot zum Entleihen, Vor-Ort Benutzung und Durchführung von Veranstaltungen (Gaming …), eine Kreativwerkstatt zum Experimentieren, Ausprobieren, Lernen und Vermitteln anbieten.
Umsetzung
Der Zuwendungsbescheid kam Mitte März 2017 und die Arbeitsgruppe Ju+ erweiterte sich um Schüler*innen der benachbarten 4. Aachener Gesamtschule, die mit Feuereifer in das Projekt einstiegen und ihre Wünsche bezüglich Medien (Romane, CDs, DVDs, Konsolenspiele, Gesellschaftsspiele), neue Interessenkreise für die Romanaufstellung und Möbel äußern konnten und auch tatkräftig mithalfen.
Alle Mitarbeiter*innen des Hauses wurden durch eine Präsentation auf einer Dienstbesprechung, unzähligen E-Mails und einer Begehung vor Ort auf dem Laufenden gehalten. Viele Mitarbeiter*innen wurden auf ganz unterschiedliche Weise bei kleinen und großen Problemen sowie Arbeitsabläufen eingebunden.
Die Leser*innen wurden über Facebook, Beschilderungen und die Beratungsplätze vor Ort informiert.
Die Suche nach einem neuen Namen
„youthfactory“ war das Ergebnis vieler Überlegungen, die auch das Corporate Design der Stadt Aachen und das Urheberrecht mit einbeziehen mussten. Eine Werbeagentur entwickelte das Logo und der stadtbekannte Graffiti-Künstler Lake13 setzte es um. In einem Workshop zeigte Lake13 Jugendlichen seine Kunst und half ihnen, für die neue youthfactory Dekorationen anzufertigen.
Hinter den Kulissen wurden die Ausschreibungen vorbereitet, das Gebäudemanagement mit einbezogen und die Trennung der Medien für eine Kinderbibliothek und eine Jugendbibliothek äußerlich und im Online-Katalog durchgeführt – ein ziemlich komplizierte Unterfangen, das im laufenden Betrieb stattfand.
Auch der gewünscht Instagram-Account wurde als Pilotprojekt genehmigt und eingerichtet:
https://www.instagram.com/youth_factory_ac_bibliothek/?hl=de
Nachdem der neue Billardtisch ein paar Wochen unter Planen versteckt, eine Trennwand zum Erwachsenenbereich gezogen und der gesamte Raum von den beiden Hausmeistern renoviert und tapeziert wurde, kamen im November die Möbel und die Medien zogen in die Jugendbibliothek ein.
Die Eröffnungsfeier wurde vorbereitet und die Marketingabteilung lief zu Hochtouren auf. Unter Verwendung der Gestaltungselemente der Werbeagentur Wesentlich wurden Einladung, Plakat, ein Lesezeichen und Rollups gestaltet.
In einem lokalen Familienmagazin (KingKalli) erschien zunächst ein Presseartikel mit Foto und in der nächsten Ausgabe ein ausführlicher Bericht mit einem Interview der Projektleiterin Frau Silvia Schnitzler. Der WDR begleitete zwei Schüler*innen der AG Ju+ mit der Kamera und interviewte ebenfalls Frau Schnitzler. An den Schulen wurden Lesezeichen verteilt.
Eröffnung
Zur offiziellen Eröffnung am 25.01.2018 erschien die lokale Presse, um zusammen mit der Kulturdezernentin Frau Schwier die neue Jugendbibliothek in Augenschein zu nehmen und darüber zu berichten.
Mit der Rockband Rock Stu, einer Candybar, einer Selfie-Station, Buttons und einem kleinen Film über die Entstehung der neuen Abteilung wurde mit vielen jungen Gästen gefeiert.
Fazit
Am Ende eines langen Weges steht die neue youthfactory der Stadtbibliothek Aachen und damit am Anfang einer neuen Entwicklung. Die Jugendbibliothek wird ohne zusätzliches Personal und Etat geführt. Die Mitarbeit der Jugendlichen wird hoffentlich auch weiterhin eine wertvolle Unterstützung bleiben.
Es bleibt zu hoffen, dass die Zielgruppe diesen Raum zu ihrem Eigenen macht und mithilft Impulse, Anregungen und Neuerungen für alle interessierten Leser*innen anzubieten.
Workshops, Makerspace – gerne auch generationsübergreifend – Kreativwerkstatt zum Experimentieren, Ausprobieren, Lernen und Vermitteln – die youthfactory hat einiges zu bieten. Und nachdem die Jugendliche eine Lücke in der „alten“ Kinder- und Jugendbibliothek hinterlassen haben, warten nun die Kinder darauf, dass sie ebenfalls eine neue Abteilung bekommen.
Die Stadtbibliothek Aachen stellt sich vor:
Aachen ist eine kreisfreie Großstadt im Regierungsbezirk Köln mit etwa 254.945 Einwohnern. Die Stadtbibliothek besitzt 8 Standorte, auf die sich 57 Beschäftigte aufteilen.
Weitere Informationen auf der Webseite der Stadtbibliothek unter:
http://www.aachen.de/DE/stadt_buerger/bildung/oeffentliche_bibliothek/index.html
Die Facebookseite der Stadtbibliothek Aachen:
https://www.facebook.com/Stadtbibliothek-Aachen-100512810019757/
Ansprechpartner:
Manfred Sawallich
Stadtbibliothek Aachen
Couvenstr. 15
52062 Aachen
E-Mail: manfred.sawallich[at]mail.aachen.de