Seit 2012 arbeiten wir mit Prof. Dr. Reiterer und seinen beiden Doktoranten Jens Müller und Simon Butscher von der Universität Konstanz am Projekt „Quellentaucher“. Die Arbeitsgruppe Mensch-Computer-Interaktion beschäftigt sich mit der Verknüpfung von realer und digitaler Welt. Zu unserem Glück bieten sich Bibliotheken als ideale Forschungspartner an und die Stadtbibliothek Köln hat sich als Pilotbibliothek zur Verfügung gestellt.
Zur Erinnerung: Was verbirgt sich hinter dem Quellentaucher?
Der Quellentaucher umfasst zwei Module, die das freie Stöbern und die zielgerichtete Recherche unterstützen. Zum Stöbern lädt die „Expedition“ ein, welche das aktuelle Weltgeschehen mit dem Bibliotheksbestand verknüpft. Der „Tiefenrausch“ dagegen ermöglicht eine zielgerichtete Recherche im Medienbestand der Bibliothek. Neben der individuellen Recherche durch einzelne Bibliotheksbesucher wird hier das gemeinsame Lernen sowie die Beratung von Kunden durch BibliotheksmitarbeiterInnen gleichermaßen unterstützt.
Am vergangenen Mittwoch hat sich die Arbeitsgruppe „Quellentaucher“, bestehend aus Lernort-Bibliotheken der 1. Generation, dem Team aus Konstanz und der Bezirksregierung Düsseldorf, in Köln getroffen. Nachdem das Modul „Expedition“ bereits 2014 installiert wurde, kann man seit letzter Woche auch den „Tiefenrausch“ erleben.
Natürlich war die Arbeitsgruppe sehr gespannt auf das zweite Modul und hat viel Spaß bei der Recherche mit „Bauklötzchen“ gehabt. Aber dazu später…
Es war an der Zeit, ein erstes Resümee zum Modul „Expedition“ zu ziehen. In den vergangenen Wochen hatten die Kölner Kolleginnen und Kollegen so manches Mal Fragezeichen in den Augen. Auch wenn es bei der „Expedition“ ums Stöbern geht, gab es keine Erklärung warum z.B. zu einer Nachricht über Heinz Erhardt keines seiner Bücher angeboten wurde. Deshalb hat das Konstanzer Team noch einmal erläutert, welche Prozesse im Hintergrund ablaufen. Übrigens waren wir erneut begeistert, dass man den Informatikern mühelos bei ihren Ausführungen folgen konnte. Nicht nur technisch verstehen sie komplexe Systeme in eine einfache Anwendung zu verwandeln. Auch die Erläuterungen sind verständlich!
Die Tagesnachrichten auf dem großen Bildschirm erhält die „Expedition“ vom Kölner Stadtanzeiger. Alle Nachrichten erscheinen als Kacheln auf dem großen Bildschirm. Wählt der Benutzer eine Nachricht aus, werden ihm Zusatzinformationen angeboten. Diese erscheinen ebenfalls in Form von Kacheln um den Artikel gruppiert. Angereichert wird mit Hintergrundinformationen aus den Munzinger Archiven, Wikipedia, dem WDR-Projekt „Digit“, Twitter und mit Kartenmaterial von Bing. Doch wie werden diese Zusatzinformationen eigentlich ausgewählt? Anders ausgedrückt: Welche Begriffe im Zeitungsartikel werden als Schlüsselwort festgelegt?
Zunächst analysiert das System, welche Wörter in der Nachricht groß geschrieben sind und identifiziert sogenannte N.Grams. Danach werden diese Wörter mit den Datenbanken von Alchemy API und Stanford Named Entity Recognition abgeglichen. Herauskommt eine Liste von Schlüsselwörtern. Diese wird mit der Stop-Wort-Liste abgeglichen. Und schließlich überprüft man bei Wikipedia, ob es diese Begriffe dort gibt.
Die „Expedition“ bietet nicht nur Zusatzinformationen aus Online-Quellen. Dem Benutzer soll auch eine Auswahl an Medien aus der Stadtbibliothek Köln angeboten werden, die im weiteren Sinne zum Nachrichtenthema passen. Es findet deshalb mit den Schlüsselwörtern eine Recherche im Bibliothekskatalog der Stadtbibliothek Köln statt. Dazu werden die Schlüsselwörter zunächst gewichtet (Position des Wortes im Artikel, Häufigkeit in der Katalogaufnahme, welches Wort hat der Benutzer im Artikel ausgewählt). Das Ergebnis ist eine Wortliste, die nun mit den Katalogdaten verglichen wird. Die gefundenen Ergebnisse werden erneut gerankt. Schließlich erscheinen die ausgewählten Medien auf dem kleinen Bildschirm neben der Nachrichten-Wall als virtuelles Bücherregal.
Die Bibliothek hat die Wahl: Möchte man möglichst viele Schlüsselwörter in einem Artikel identifizieren, damit dem Kunden ein breites Spektrum an Zusatzinformationen angeboten wird? Schließlich geht es bei der „Expedition“ um das Stöbern? Oder sollen die ausgewählten Medien besonders präzise zum Thema passen? Entscheidet man sich für letzteres, kann es sein, dass im Extremfall überhaupt kein Medium mehr angeboten werden kann, da das Schlüsselwort zu eng gewählt wurde.
Aber nicht nur diese Entscheidung spielt eine Rolle für das Rechercheergebnis. Natürlich hängen die Rechercheergebnisse von der Qualität der Katalogdaten ab. Wie gut wurde verschlagwortet? Gibt es Eingabefehler bei der Katalogaufnahme? Stimmt die Zuordnung zur Belletristik oder zur Sachliteratur? Wie bekommt die „Expedition“ Zugriff auf die Katalogdatensätze? Kann man auf die MAB- bzw. MARC-Felder zielgenau zugreifen? Zur Zeit erfolgt der Zugriff über eine SOLR-Schnittstelle. Deshalb können die Metadaten nicht durchsucht werden.
https://www.youtube.com/watch?v=H9adDld22HE&feature=youtu.be
Interessanterweise werden die Rechercheergebnisse bei der „Expedition“ viel kritischer betrachtet als bei der üblichen Listenanzeige im Katalog. Die optische Aufbereitung scheint hier eine Rolle zu spielen. Übrigens generiert das System ein eigenes Titelbild, wenn kein externes Cover greifbar ist.
Im Laufe des vergangenen Jahres haben Jens Müller und Simon Butscher noch weitere Veränderungen vorgenommen. Im ersten Versuch wollte man die Besucher durch ihre Silhouette auf die „Expedition“ aufmerksam machen. Wenn man sich dem Bildschirm näherte, erschienen die Personenumrisse auf dem Screen. Dies war wohl zu viel Science-Fiction. Deshalb setzt man jetzt einen Avatar auf dem Bildschirm ein, der demonstriert, was einen erwartet und wie die „Expedition“ zu bedienen ist.
Welche Erfahrungen konnte die Stadtbibliothek Köln bisher sammeln? Fachbesucher und Mitarbeiterteam sind von dem Angebot begeistert. Die Bibliotheksbesucher wissen wohl noch nicht so genau, was sie mit der „Expedition“ anfangen sollen. Wurde die richtige Standort im Haus gewählt? Ist die Atmosphäre vor dem großen Bildschirm zu unpersönlich? Erfüllt das System eigentlich ein Informationsbedürfnis der Besucher? Oder erwartet man schlicht weg diese Möglichkeiten in einer Stadtbibliothek nicht und kommt deshalb nicht auf die Idee, die „Expediton“ auszuprobieren? In jedem Fall ist es jetzt an der Zeit, aktiv Werbung für die „Expedition“ in der Bibliothek zu machen!
Was der „Tiefenrausch“ zu bieten hat, erläutern wir im Teil 2 der Quellentaucher-Serie.