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„Nackt im Netz“ – von der selbstverschuldeten Unmündigkeit

Jürgen Brautmeier, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW (LfM), hat angesichts der rasanten digitalen Entwicklung vor dem Verlust der Privatsphäre gewarnt. Er regt an, sich kenntnisreich mit der aktuellen Entwicklung auseinander zu setzen und nichts einfach hinzunehmen. Herr Brautmeier zählt in seinen Augen kritische Entwicklungen auf und weist auf derzeit nicht überschaubare Folgen, bzw. sich daraus entwickelnde gesellschaftliche Fragen hin, die man bewusst beantworten und nicht ahnungslos darauf zu steuern sollte. Er geht zum Beispiel ein auf:

Personalisierte Werbung: Harmlos und nützlich? Auch dann noch, wenn das Reiseportal durch meinen Gerätetyp und meine Daten annimmt, dass ich bereit bin mehr zu zahlen und mir höhere Preise anzeigt?

Finanzielle Belohnung der Überwachung: Ist es in Ordnung, wenn ein Versicherungskonzern denen mit Dauerüberwachung günstigere Tarife gibt, zulasten der anderen, die dieses nicht möchten?

Wirtschaftlichkeitsberechnung vs. Solidarität: Er zitiert und führt aus: „ Die Zeit“: „ ‚Was wird aus den Eltern, die ein Kind, bei dem ein Gendefekt im Mutterleib festgestellt wurde, trotzdem bekommen wollen?‘ Die Sammlung von immer mehr Daten zur immer größerer Effizienzsteigerung führt in diesem Beispiel dazu, dass jeder für sein eigenes Risiko einstehen muss und der Solidaritätsgedanke, ja das christliche Bild von Nächstenliebe und Barmherzigkeit den Effizienz – und Wirtschaftlichkeitsberechnungen geopfert wird.“

Herr Brautmeier plädiert dafür, noch viel mehr auf das „Recht an den eigenen Daten“ zu achten. Noch vor dem „Recht auf Vergessen“. Er schreibt, nur der sei ein verlässlicher Datensammler, der offen und transparent mit diesen Fragen umgehe, Opt-out-Möglichkeiten biete und nur mit Einverständnis Cookies und Trackingverfahren einsetze.

 Er plädiert für Aufklärung und zitiert Immanuel Kant: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht aus Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen.“

Und die Gefahr einer selbstverschuldeten Unmündigkeit ist laut Herrn Brautmeier derzeit wieder gegeben.

Eine Aufgabe für Bibliotheken?


Zur Homepage mit der Rede: http://www.lfm-nrw.de/index.php?id=3927
Die Rede als PDF: http://www.lfm-nrw.de/fileadmin/lfm-nrw/Reden_Brautmeier/Keynote_Crux_2015_01.pdf

2 Kommentare

    • Hallo Herr Katzer,
      für mich kommt vor der Frage, ob Bibliothekare es schon können, erstmal die Grundfrage: Sehen Öffentliche Bibliotheken und ihre Träger diese Kompetenz als ihre Aufgabe? Wenn ja, dann kommt die Qualifizierung.
      Viele Grüße A. Hollmann

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