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Schulbibliotheken – Die Aktivität macht den Unterschied!

Seit 2012 hat in Südkorea jede Schule eine Schulbibliothek. Das bedeutet, koreanischen Kindern und Jugendlichen steht neben den landesweit 930 Öffentlichen Bibliotheken auch jeweils eine Schulbibliothek zur Verfügung. Möglich wurde das durch ein seit 2002 groß angelegtes, mehrstufiges Förderprogramm. Es gab zwar auch schon lange vorher ein Bibliotheksgesetz, das Schulbibliotheken verpflichtend vorsah, aber das wurde bis dahin oft nur wenig mit Leben gefüllt.

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Treffen mit dem Vorstand der School Library Association Korea in der Bibliothek des Goethe-Instituts in Seoul. Anlässlich einer Korea-Reise zum Thema Schule & Bibliothek tauschten wir uns einen Nachmittag angeregt über die Schulbibliothekssituation aus.

Schulbibliotheken in Korea werden normalerweise von ausgebildeten Bibliothekaren geleitet, die Beamte bei der Schulverwaltung sind. 7% von ihnen sind echte „Teaching Librarian“, das heißt sie verfügen auch über eine pädagogische Ausbildung. Nach langem politischen Kampf sind die Bibliothekare inzwischen den Lehrern beim Gehalt gleichgestellt. Die Standards für die Ausstattung orientieren sich an den internationalen Schulbibliotheksstandards der IFLA. So sind z. B. 10 Medieneinheiten pro Schüler und 40 Öffnungszeiten wöchentlich vorgesehen. 3% des Schul-Etats sollen für die Schulbibliothek ausgegeben werden. Diese Standards sind allerdings nicht rechtsverbindlich.

Schulbibliothekswesen und Öffentliches Bibliothekswesen sind organisatorisch komplett getrennt. Die einen unterstehen der Schulverwaltung, die anderen der Kulturverwaltung mit den auch in Deutschland bekannten Problemen bei Kooperation und Vernetzung. Für die Öffentlichen Bibliotheken wird die hohe Dichte der Schulbibliotheken teilweise als Problem gesehen. So hat eine Untersuchung 2012 ergeben, dass die ÖBs vorwiegend von Kleinkindern und älteren Menschen aufgesucht werden. Die extrem langen täglichen Schulzeiten koreanischer Schüler (nach der Ganztagsschule werden täglich generell noch private Nachhilfe-Institute aufgesucht) machen einen Besuch allerdings auch schwierig. Außerdem werden Klassen-Aufenthalte in der ÖB und die dazu notwendige Anreisezeit oft nicht als Unterrichtszeit anerkannt. Leseförderung, individuelle Lern-Unterstützung und (berufliche) Lebensberatung werden aber auch von ÖBs als Kernaufgabe angesehen. Sie konzentrieren sich dazu besonders auf junge Menschen, die keine Schule oder eine „Alternativschule“ (Förderschule, Programme für Hochbegabe oder Migranten) besuchen.

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Misun Kim, Bibliothekarin, verantwortlich für den Bereich Jugendbibliothek der Jeongdok Public Library, hat auch 24 Jahre Berufserfahrung in Schulbibliotheken in Seoul.

Punkten können die Öffentlichen Bibliotheken mit ihrer guten Raum- und Personal-Ausstattung und ihrem großen differenzierten Medienbestand.

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Eingangsbereich der National Library for Children and Young Adults

Da können Schulbibliotheken meist nicht mithalten. Der erste Eindruck von Räumen und Mobiliar ist aus deutscher Sicht oft etwas altmodisch.

Auch die Schulen machen insgesamt zunächst einen sehr traditionellen Eindruck.

In der Schulbibliothek ist allerdings alles an Ausstattung vorhanden, was man sich zum Arbeiten in der Schule wünscht.

Und das wird auch genutzt. Besonders eindrücklich wurde uns das in der Bibliothek der Songgok Girls High School präsentiert. Ein Team ehrenamtlicher Schüler/innen betreut dort zusammen mit dem leitenden Bibliothekar die Bibliothek und deren unzählige unterschiedliche Aktivitäten.

Die ehrenamtliche Mitarbeit von Schülerinnen in der Schulbibliothek ist so beliebt, dass in jedem Schuljahr richtige Wahlen mit Wahlkampf für diese „In-Group“ durchgeführt werden. Das liegt sicher unter anderem daran, dass der leitende Schulbibliothekar konsequent und erfolgreich auf Nutzer-Orientierung setzt und den Schülerinnen sehr viel Mitsprache und Entscheidungen zutraut. Anders wären die vielen Aufgaben und Ideen nicht einmal ansatzweise umzusetzen. Natürlich sind es auch die Schülerinnen, die uns ausländischen Besuchern die Bibliothek und die Schule vorstellen.

Aber auch der Rückhalt bei der Schulleitung und im Kollegium ist groß. Eine unabdingbare Voraussetzung für funktionierende Schulbibliotheksarbeit. Die Wertschätzung zeigte sich bei unserem Besuch z. B. darin, dass die Schulleitung und ein Mitglied des Kollegiums unseren gesamten Besuch begleiteten, ohne aber irgendwie in die Präsentation der Schülerinnen einzugreifen. Mit der Unterstützung der Schule und Bürgerbeteiligung konnten z. B. Fördermittel für die Neugestaltung eines Raumes bei der Kommune gesichert werden. Mit dem Geld wurde ein gemütlicher und für Veranstaltungen praktischer „Ondol“ eingerichtet. So bezeichnet man auf Koreanisch die sehr verbreitete Fußbodenheizung unter dem erhöhtem Holzpodest, auf dem man dann auf dem Boden oder auf Kissen sitzt. Bedingung für die Bewilligung der Fördermittel war übrigens, dass sich die Bibliothek auch für den Stadtteil öffnet. Das scheint in Korea öfter so gehandhabt zu werden und soll Vorbildwirkung entfalten. Eine Entwicklung, die uns in dieser Richtung in Deutschland staunen lässt.

Veranstaltungen und Aktivitäten gibt es hier unzählige: Am Flügel in der Bibliothek kann jederzeit gespielt oder geübt werden, genau wie an der Tischtennisplatte in einem Nebenraum. Diese wird mit Wachstischtuch aber auch zum Basteltisch für Bastelaktionen wie die Bio-Seifen-Erstellung (natürlich in Buch-Form und mit Buch-Anleitung) oder zum Esstisch bei abendlichen Koch-Sessions mit der Bibliotheks-AG. Ein Kühlschrank und ein paar Utensilien genügen dazu. Jede Art der Veranstaltung wird ermöglicht durch so einfache Dinge wie einen Satz Reserve-Klappstühle, Schiebewände, flexible Raumteiler und viele Bodenkissen. Die Schulbibliothek ist ein Makerspace im besten Sinne.

Regelmäßig gibt es aber auch Lesungen, Lesenächte oder Generationen-übergreifende Gesprächsrunden: mit Senioren aus dem Stadtteil wird Geschichte persönlich, ehemalige Schülerinnen berichten hautnah von ihrem Leben als junge Mütter oder vom Berufsalltag. Berufsorientierung ist nämlich zurzeit an Koreas Schulen zurzeit ein viel diskutiertes Thema. Ein neu geschaffenes Frei-Semester in der Mittelstufe soll es Schülern ermöglichen, sich ausgiebig und persönlich damit zu befassen. Im sehr auf Prüfungen ausgerichteten Schulalltag ist sonst wenig Gelegenheit dazu. Sowohl Öffentliche Bibliotheken als auch Schulbibliotheken engagieren sich momentan sehr stark mit inhaltlichen Angeboten und Konzepten für diese Frei-Semester.

Die Mitarbeiter/innen dieser Schulbibliothek hätten wir am liebsten sofort eingepackt und mitgenommen. Leider mussten wir uns mit den vielen Eindrücken, Bildern und Anregungen begnügen, die es auch sonst im koreanischen Bibliothekswesen reichlich gibt. Auch dank der hervorragenden Betreuung durch die Bibliothek des Goethe-Instituts eine rundum gelungene Reise!

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Was man auf den Fotos nicht sieht: in Korea zieht man in allen Wohnräumen ausnahmslos die Schuhe aus. Das gilt meist auhc für Kinder- und Schulbibliotheken. Wir sahen meistens „untenrum“ so aus.

Weitere Berichte finden sich auch hier im Blog der Kollegin Kathrin Reckling-Freitag:
https://zwischenseiten.com/

Und ein paar Eindrücke auf der Facebook-Seite der Fachstelle:
https://www.facebook.com/Fachstelle.Offentliche.Bibliotheken.NRW/ unter dem Hashtag #JinK.

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