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Aspekte einer kundenorientierten Raumgestaltung in Bibliotheken

Im Zeitalter der Digitalisierung und der virtuellen Räume könnte man annehmen, dass der physische Raum für Bibliotheken immer unwichtiger wird. So erfolgen Recherchen vermehrt über das Internet, Bücher werden in Form von E-Books konsumiert und statt Filme auszuleihen werden Streaming-Dienste genutzt. Die Anzahl der physischen Medien geht in einigen Segmenten zurück und dennoch gewinnt der physische Raum von Bibliotheken zunehmend an Bedeutung. Bibliotheken befinden sich im Wandel von reinen Ausleihinstitutionen hin zu Aufenthalts- und Begegnungsorten. Es gilt bei der Gestaltung von Bibliotheksräumen nicht primär die Medien zu betrachten, sondern die Bedürfnisse und Wünsche der Nutzer*innen in den Vordergrund zu rücken – weg von bestandsorientierten hin zu kundenorientierten Räumlichkeiten.

Vielleicht sollte man sich noch einmal kurz ins Gedächtnis rufen, was sich hinter dem Begriff Bestandsorientierung verbirgt. Über viele Jahre galt ein Zielbestand von zwei Medieneinheiten pro Einwohner als erstrebenswert. Dementsprechend wird die Größe der Räumlichkeiten nach den Unterbringungsmöglichkeiten für Medien berechnet. Die Medien nehmen den Großteil der verfügbaren Fläche ein. Ihre Aufstellung erfolgt klassisch nach ASB, häufig auch in Form von Kabinetten. Zwischen den Regalen befinden sich einige Recherche- und PC-Arbeitsplätze. Die Anzahl an Steckdosen ist eher begrenzt, da die Räumlichkeiten nicht als Lernorte konzipiert wurden. Die Gestaltung der Räume ist auf einen kurzen Aufenthalt ausgerichtet: Medium suchen, ausleihen und gehen.

Was ist im Gegensatz dazu unter kundenorientierter Raumgestaltung zu verstehen?

Nicht die Medien, sondern die Nutzer stehen im Fokus der Bibliothek. Es gibt insgesamt weniger physische Medien, der Bestandsaufbau orientiert sich stärker an Kundenwünschen und Ausleihzahlen. Medien werden so aufgestellt und präsentiert, dass sie für die Nutzer leicht und schnell auffindbar sind. Neben den Regalflächen werden Aufenthaltsflächen für Nutzer*innen geschaffen.

Insgesamt werden Bibliotheksflächen atmosphärischer gestaltet. Designer bzw. Architekten arbeiten dazu mit Farbkonzepten und verwenden neue Aufstellungsformen. Auch die Möbelauswahl erfolgt nach neuen Kriterien. Und immer hat man die Bedürfnisse der Bibliotheksnutzer*innen im Blick.

Welche Bedürfnisse haben Bibliothekskunden heute?

Natürlich gehört auch heute noch das Ausleihen von Medien zu den Grundbedürfnissen der Bibliothekskunden. Gleichzeitig erwarten sie einen Ort, der zum Lesen und Schmökern einlädt. Zeitschriften werden gewälzt, Kochbücher auf ihre Eignung für den nächsten Dinner-Abend geprüft und Reiseführer als Anregung für den anstehenden Urlaub durchgeblättert. Dafür werden Sitzplätze benötigt, die zum Verweilen einladen.

Eine aktive Teilhabe an der Gesellschaft setzt die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen voraus. Deshalb ist der Zugang zu Informationen auch künftig eine wesentliche Aufgabe von Bibliotheken. Dieser erfolgt vermehrt über digitale Medien wie E-Books, Onlineplattformen, Datenbanken und natürlich über frei verfügbare Quellen im Internet. Um den Zugriff auf digitale Quellen zu ermöglichen, werden PC-Arbeitsplätze ebenso benötigt wie Arbeitsplätze, die das Arbeiten mit mobilen Endgeräten ermöglichen. Zugang zu Strom und WLAN sind also wichtig. Häufig bieten private Wohnräume nicht die Möglichkeit in einer Gruppe zu lernen. Bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen müssen daher sowohl Einzel- als auch Gruppenarbeitsmöglichkeiten berücksichtigt werden.

Der Besuch von kommerziellen Cafés ist mit dem Verzehr von Speisen oder Getränken verbunden. In einladend gestalteten Kommunikationsbereichen und Lesecafés von Bibliotheken besteht die Möglichkeit sich ohne Konsumzwang auszutauschen. Hier können sich alle Altersklassen zwanglos treffen und unterhalten. Selbst ein großer Zeitungslesetisch ist oft mehr Ort für angeregte Diskussionen, als für das ruhige Lesen.

Die Veranstaltungsarbeit gewinnt zunehmend an Bedeutung in Bibliotheken. Sei es in Form von Veranstaltungsangeboten oder durch die Bereitstellung von Räumen, Technik oder anderen Gegenständen für Nutzer, die ihre Veranstaltungen selber organisieren möchten. Diese benötigen entsprechende Flächen, Möbel und eine adäquate technische Ausstattung.

Die richtige Lage der Aufenthaltsbereiche

Um Aufenthaltsflächen in Bibliotheken kundenorientiert zu gestalten, spielen einige bereichsübergreifende Aspekte eine Rolle. Sowohl Loungeplätze, meistens bestehend aus bequemen Polstermöbeln, als auch Arbeitsplätze passen gut in den Randbereich der Medienaufstellung. Lesesessel in die Nähe der Belletristik und Arbeitstische in den Bereich der Sachliteratur.

Lesecafés und Kommunikationsbereiche können in den Eingangsbereich der Bibliothek eingeplant werden. Hier muss es nicht besonders ruhig sein. Zudem sorgt die Sichtbarkeit von außen für einen Schaufenster-Effekt und lockt weitere Besucher in die Bibliothek. Gerne werden diese Bereiche in Bibliotheken auch flexibel als Veranstaltungsflächen genutzt, da Bistrotische leicht zu verschieben und benötigte Stühle direkt vor Ort sind.

Licht schafft Atmosphäre

Auch Licht spielt eine wichtige Rolle bei der Bibliotheksgestaltung. Arbeitsplätze sollten wegen des Tageslichts möglichst an Fensterfronten eingeplant werden. Zudem sorgt der Ausblick ins Freie für Atmosphäre. Sollte ein Bibliotheksgebäude dies nicht hergeben, kann eine gemütliche Atmosphäre auch durch künstliches Licht, z.B. in Form von Leseleuchten, geschaffen werden. Als Richtwert für die Helligkeit gilt: Die Beleuchtung an den Nutzerarbeitsplätzen sollte 500 Lux betragen.

Arbeitsplätze am Fenster bieten natürliches Licht und sorgen für Atmosphäre (Stadtbibliothek Langenfeld).

Kein Widerspruch: Barrierefreie Sitzmöbel mit optischer Barriere

Damit Einzelarbeits- oder Leseplätze echte Rückzugsorte darstellen, sind optische Barrieren wichtig – unabhängig davon, ob sich die Plätze im Randbereich oder mittig im Raum befinden. Sessel mit hohen Rückenlehnen, wie z.B. Ohrensessel, können eine solche Sichtgrenze schaffen. Auch Sitzmöbel mit Drehfuß sind eine gute Lösung. Hier können die Kunden selbst entscheiden, ob sie sich zum Fenster drehen, um ihre Ruhe zu haben oder sich dem Raum zuwenden, um die darin stattfindenden Geschehnisse im Blick zu behalten. Auch Accessoires wie Kissen können für eine wohlige Wohnzimmeratmosphäre sorgen.

Damit Sitzmöbel auch den Aspekt der Barrierefreiheit berücksichtigen, sollten sie mit Armlehnen ausgestattet sein. Diese erleichtern besonders älteren oder körperlich eingeschränkten Personen das Aufstehen, da sie sich abstützen können. Praktisch sind auch Beistelltische, die als Ablagefläche dienen. Bei Zweisitzern dient oft auch der zweite Platz als Ablage. Generell gilt, dass Einsitzer flexibler sind als Mehrsitzer. Sie sind leichter zu verschieben – und viele Menschen möchten ungern neben einer fremden Person sitzen, sodass häufig nur einer der beiden Sitzplätze genutzt wird.

Auch die Bibliothek in Olsberg hat sich für Sessel mit hoher Lehne entschieden.

Flexibilität als Kriterium bei der Möbelauswahl

Auch Arbeitsplätze profitieren von optischen Barrieren. Eine Möglichkeit sind so genannte Raum-in-Raum-Lösungen. Zusätzliche Räume können zum Beispiel durch Regale gebildet werden. Diese sind nach oben hin offen – dies erleichtert die Belüftung und die Brandschutzvorkehrungen. Um trotz der Offenheit die Akustik in diesen Bereichen zu verbessern, können beispielsweise Akustiksegel von der Decke abgehangen werden. Alternativ gibt es auch Raum-in-Raum Möbel, sowohl für Einzel- als auch für Gruppenarbeitsplätze. Diese sind in Hinblick auf zukünftige, räumliche Veränderungen flexibler als gebaute Räume.

Flexibilität ist generell ein wichtiger Aspekt, besonders für kleinere Bibliotheken. Durch entsprechendes Mobiliar können Einzelarbeitsplätze flexibel zu Gruppenarbeitsplätzen kombiniert werden. Hierfür eignen sich quadratische Arbeitstische (80×80 cm oder 100×100 cm). Wo diese an festen Plätzen stehen, sollten sie mit einem Stromanschluss ausgestattet werden. Einige Hersteller bieten auch Tische auf Rollen an, um diese besser bewegen zu können. Stühle an Nutzerarbeitsplätzen sollten wegen der erhöhten Unfallgefahr nicht mit Rollen ausgestattet werden. Sie sollten bequem und funktional, bestenfalls stapelbar sein. Eine leicht flexible Rückenlehne und ein Material, das schnell die Körpertemperatur annimmt, sorgen für erhöhten Sitzkomfort. Es empfiehlt sich zudem ein einheitliches Stuhl-Modell zu auszuwählen, um die Stühle bei Bedarf gemeinsam aufzustellen.

Sitzmöbel: Farblich abgestimmt, hochwertig und langlebig

Die Frage, ob bei der Wahl auf teure Designermöbel zurückgegriffen werden sollte, stellt sich häufig in Verbindung mit der Sorge um möglichen Vandalismus. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Designklassiker und andere hochwertige Möbel bei den Nutzer*innen auf Wertschätzung treffen und sie sorgsam damit umgehen. Bei allen textilen Ausstattungsgegenständen sollte aber auf robuste Stoffe geachtet werden. Die Möbel werden schließlich täglich von vielen Menschen beansprucht. Ihre Farbgestaltung kann Teil eines in der Bibliothek vorhandenen Leitsystems sein, sofern verschiedene Bereiche durch eine unterschiedliche Farbgebung gekennzeichnet sind.

Spielerisch und gemütlich: die Kinderbibliothek

Neben der Gestaltung von Loungeplätzen, Lesecafés und Nutzerarbeitsplätzen, die in der Regel zunächst mit Blick auf Erwachsene eingerichtet werden, dürfen auch die Bereiche für die jüngeren Nutzer*innen der Bibliothek nicht vernachlässigt werden.

Insbesondere für Kinder sollte um die Medien herum eine Erlebniswelt geschaffen werden. Wiedererkennungsmerkmale wie ein Lesehaus, ein Piratenschiff oder eine Bücherlokomotive sind wichtige Elemente in der Gestaltung. Oft erkennen Eltern diese aus ihrer eigenen Kindheit wieder, wenn sie schließlich mit den eigenen Kindern in die Bibliothek kommen. Neben Leseplätzen, die auch Platz für Begleitpersonen zum Vorlesen schaffen, ist zu bedenken, dass Kinder gerne in anderen Positionen lesen als Erwachsene. Polsterelemente oder überdimensionierte Stofftiere können dazu einladen, auf dem Bauch oder Rücken liegend in einem Buch zu schmökern.

Stadtbibliothek Langenfeld: Große und bequeme Kissen laden zum entspannten Schmökern ein.

Cool und zeitgemäß: der Jugendbereich

In einer Jugendbibliothek sollte eine lockere Atmosphäre durch zeitgemäße, „coole“ Möbel geschaffen werden. Die Schwierigkeit liegt dabei in der Kurzlebigkeit von Trends. Die Umgebung muss einen Mehrwert zum eigenen Jugendzimmer schaffen und die Möglichkeit bieten, mit Freunden zu chillen. Um die häufig genutzten mobilen Endgeräte aufzuladen, ist der Zugang zu Strom besonders wichtig. Steckdosen können z.B. in Sitzmöbel integriert werden. Auch die WLAN-Ausleuchtung sollte gut sein. Jugendbibliotheken werden besonders dann gut von der Zielgruppe angenommen, wenn diese Punkte bei der Gestaltung berücksichtigt werden.

Zugang für alle durch Barrierefreiheit und Open Library

Damit die für die Bibliothekskunden geschaffenen Aufenthaltsflächen möglichst von allen Menschen genutzt werden können, ist der Zugang von großer Bedeutung. Zugang kann durch verschiedene Faktoren geschaffen werden. Zum einen über Barrierefreiheit, um Menschen mit physischen oder kognitiven Einschränkungen nicht auszuschließen. Zum anderen durch Öffnungszeiten.

Erweiterte Öffnungszeiten, z.B. durch ein Open Library-Konzept, gewährleisten die Erreichbarkeit von Nutzergruppen wie Berufstätigen oder Pendlern. Open Library setzt allerdings auch eine angepasste Raumgestaltung voraus. So muss der automatisierte Zugang in die Bibliothek gewährleistet sein. Und der Raum muss zum Beispiel durch niedrige Regale überschaubar bleiben. Diese Überschaubarkeit sorgt neben dem Aspekt der Raumüberwachung auch dafür, dass Nutzer sich besser orientieren können. Hier hilft auch ein gut geplantes und einheitlich umgesetztes Leit- und Orientierungssystem.

Gesamtkonzept sorgt für einheitliches Ergebnis

Man könnte bei vielen Aspekten noch weiter ins Detail gehen. Und sicherlich gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Stellschrauben. Wichtig ist es, ein Gesamtkonzept zu entwickeln, bevor mit der Umsetzung begonnen wird. Nur dann entsteht am Ende ein einheitliches Ergebnis, bei dem alle Maßnahmen miteinander harmonieren und funktionieren.

Der Artikel ist bereits in ähnlicher Form in der BUB Ausgabe 07/2020 erschienen.

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