Die zweite Runde des Programms zur Strategieentwicklung für Stadtteilbibliotheken von der Fachstelle für Öffentliche Bibliotheken NRW ist erfolgreich abgeschlossen. Sieben Stadtteilbibliotheken aus Oberhausen, Köln, Mönchengladbach und Wuppertal haben in der Fortbildung ein Bibliotheksprofil entwickelt, das die spezifischen Bedürfnisse ihrer Stadtteile berücksichtigt.
Ein Blick auf den Prozess
Das Programm, bestehend aus fünf Workshops, wurde von der erfahrenen Coachin Barbara Gellermann begleitet. Ein zentrales Arbeitsinstrument war der von der Fachstelle entwickelte Funktionsrahmen „Bibliotheksfunktionen für eine digitale Gesellschaft“, der fünf zentrale Funktionen umfasst:
- Ort für Wissen und Information
- Digitales Kompetenzzentrum
- Kultur- und Literaturort
- Ort für Inspiration
- Kommunaler Begegnungs- und Kommunikationsort
Der strategische Entwicklungsprozess begann mit der gründlichen Analyse des Ist-Zustands jeder Bibliothek. Dabei haben die Teilnehmenden nicht nur Stärken und Schwächen identifiziert, sondern auch das Umfeld analysiert. Faktoren wie demografische und sozio-ökonomische Strukturen des Einzugsgebiets flossen in die Überlegungen ein. Zu berücksichtigen waren auch Aussagen zur weiteren Entwicklung des Stadtteils aus Verwaltung und Politik. Miteinbezogen wurde auch das Angebot anderer Kultureinrichtungen, um mögliche Überschneidungen mit dem eigenen Angebot zu vermeiden oder ggf. geeignete Kooperationspartner zu identifizieren.
Ausgehend von den gesammelten Informationen konnten dann relevante Zielgruppen wie zum Beispiel Grundschüler oder junge Familien und die dazu passenden Bibliotheksfunktionen festgelegt werden.
Inhouse-Workshops: Das Team im Fokus
Ein Teil des Programms waren die Inhouse-Workshops vor Ort. Hier arbeiteten die Stadtteilbibliotheksleitungen und Koordinatorinnen gemeinsam mit dem gesamten Team der Stadtteilbibliothek an der Reflexion der ausgewählten Bibliotheksfunktionen, Zielgruppen und Angebote. Die Teilnehmenden entwickelten nicht nur eine klare Vorstellung davon, welche Funktionen die Bibliotheken in Zukunft erfüllen sollten, sondern auch, wie diese in der Praxis umgesetzt werden können.
Loslassen für Neues
Ein wichtiger Aspekt im Prozess war auch die Anerkennung der Notwendigkeit, Raum für Neues zu schaffen. Die Teams wurden ausdrücklich dazu ermutigt, sich von bestehenden Angeboten zu verabschieden, die nicht mehr in das zukünftige Profil passten. Diese schmerzhafte, aber notwendige Entscheidung ermöglichte es den Bibliotheken, sich auf ausgewählte Funktionen zu konzentrieren und dafür passende Angebote bereitzustellen.
Fazit: Programm stärkt Stadtteilbibliotheken und Stadtteile
Auch die zweite Runde des Programms zur Strategieentwicklung für Stadtteilbibliotheken zeigt deutlich, wie wichtig auch für die Stadtteilbibliotheken die Auseinandersetzung mit dem eigenen Profil ist. Die gewonnenen Erkenntnisse und die entwickelten Strategien ermöglichen es den teilnehmenden Bibliotheken, gestärkt und fokussiert in die Zukunft zu gehen, um weiterhin wertvolle Dienstleistungen für ihre Stadtteile bereitzustellen.
„Programm eröffnet neue Horizonte“
Interview mit Yvonne Fischer, Leiterin der Stadtteilbibliothek in Köln-Porz und Teilnehmerin der zweiten Runde des Strategieprogramms.
Was hat Sie motiviert, an dem Programm teilzunehmen?
Für uns war es einfach der ideale Zeitpunkt, da wir uns in einer Phase der Orientierung und Veränderung befanden. Ich war erst ein Jahr in der Leitungsposition, das Team war in dieser Konstellation noch recht neu. Was wir bei der Anmeldung noch nicht wussten: Im Lauf des Prozesses kam dann noch der Umbau unserer Stadtteilbibliothek hinzu.
Welche Herausforderungen sehen Sie typischerweise in Stadtteilbibliotheken und welche Lösungsansätze haben Sie dazu entwickelt?
Eine große Herausforderung liegt häufig in den begrenzten personellen Ressourcen angesichts der umfangreichen Aufgaben in Stadtteilbibliotheken. Durch das Programm erhielten wir von Frau Gellermann und der Fachstelle wertvolle Methoden damit umzugehen, insbesondere zur Priorisierung von Aufgaben und Zielgruppen. Hilfreich war auch die Ermutigung, Dinge einfach wegzulassen.
Eine weitere Herausforderung besteht häufig in der fehlenden Sichtbarkeit sowohl innerhalb des Stadtteils als auch innerhalb des Gesamtsystems der Bibliothek. Da hat es einfach gutgetan, dass durch das Programm unsere Arbeit einmal im Mittelpunkt stand. Und dass wir die Möglichkeit bekommen haben, die strategische Ausrichtung unserer Bibliothek selbst vorzunehmen und nicht von der Zentrale vorgegeben zu bekommen.
Für eine bessere Sichtbarkeit im Stadtteil müssen wir in Porz mehr Gewicht auf unsere Öffentlichkeitsarbeit legen. Um uns von anderen Angeboten im Stadtteil abzuheben, ist es wichtig, unser Alleinstellungsmerkmal in den Vordergrund zu rücken: Unser kostenfreies Bildungsangebot! Und damit man uns besser findet, benötigen wir sowohl eine bessere Beschilderung am Gebäude als auch im Stadtteil.
Wie war die Zusammenarbeit mit den anderen Stadtteilbibliotheken?
Die meisten Workshops fanden als Präsenzveranstaltungen statt, so dass es genügend Raum und Zeit gab, sich auszutauschen und neue Kontakte zu knüpfen. Der Blick über den eigenen Tellerrand öffnet einfach neue Horizonte. Dadurch haben wir Lösungen und Ideen für die eigene Arbeit bekommen.
Welches persönliche Fazit ziehen Sie aus der Weiterbildung?
Das Programm war durchaus anspruchsvoll, aber unglaublich nützlich. Vor allem wurde mir klar, wie wichtig es ist, ein klares Profil zu haben – zu wissen, warum man tut, was man tut. Dieses genaue Aufgabenprofil nun zu haben, hilft uns vor allem bei der Zusammenarbeit mit lokalen Partnern. Auf die können wir nun ganz anders zugehen.
Wem würden Sie die Weiterbildung empfehlen?
Großstadtsystemen, die den Mut haben, ihren Stadtteilbibliotheken eine gewisse Autonomie zu gewähren und es schätzen, wenn diese ihre Angebote an die spezifischen Bedürfnisse ihres Umfelds anpassen. Wichtig ist auch die Bereitschaft des Teams, Veränderungen anzunehmen. Die Strategieentwicklung erfordert eine Beteiligung und Akzeptanz aller Teammitglieder. Es reicht nicht aus, wenn nur die Leitung die Umsetzung vorantreiben möchte. Ein echter Wandel ist nur möglich, wenn das gesamte Team hinter dem Projekt steht.