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Gastbeitrag: Die „SPIELUNKE“ in der Stadtbibliothek Neuss

Es ist ein gewöhnlicher Mittwochnachmittag und durch die zweite Etage der Stadtbibliothek hallen Jubelrufe, abgewechselt von Beschimpfungen. Was passiert dort gerade? Die Bayern haben gerade gegen Barca gewonnen und zwar auf der Playstation 4. In der „Spielunke“ in Neuss wird gerade fleißig FIFA 15 gespielt, ein Fußballsimulations-Videospiel und eines der erfolgreichsten Spiele der letzten Jahre.

In den letzten Jahren sind digitale Spiele in der Mitte der Gesellschaft angekommen und werden als Kulturgut anerkannt, so auch in der Stadtbibliothek Neuss. Um den Lebensrealitäten von mehr als 30 Millionen Menschen[1] gerecht zu werden, bietet die Bibliothek seit rund fünf Jahren digitale Spiele zum Ausleihen an und seit Anfang des Jahres auch das Spielen vor Ort in der Bibliothek. Neben den Konsolen wurden auch Tablets zum Spielen in der Bibliothek angeschafft. Diese wurden von Mitarbeitern der Bibliothek mit Spielen sowie mit Bilderbuch-Apps „bestückt“. Die Tablets können sich Nutzer zum Gebrauch in der Bibliothek ausleihen („portables Gaming“).

In einer Reihe von Veranstaltungen versucht das Bibliotheksteam in unterschiedlichen Formaten, das Erlebnis Spiel zu gestalten. So gehören neben dem freien Spiel an der Konsole, auch Spielenachmittage mit analogen Spielen oder Bingo Nachmittage dazu.

Gamingbereich der Stadtbibliothek Neuss

Gamingbereich der Stadtbibliothek Neuss, die Spielunke (Bild: Stb Neuss, Facebook)

Ein ganz besonderes Projekt im Bereich Gaming gab es mit einer Realschule. Hier ging es um die medienübergreifende Vermittlung von Unterrichtstoff durch unter anderem Games, aber auch durch Bücher und einen Film sowie die damit verbundene, vielleicht andere Art zu lernen. Zwei neunte Klassen verbrachten jeweils einen Tag in der Bibliothek und beschäftigten sich mit den Themen Weltkrieg, Gewalt und autoritäre Regime. Diese Thematik war Inhalt unter anderem des Geschichtsunterrichts. Nach einer Vorbesprechung mit den Lehrern, machten wir uns an die Auswahl der Spiele und des Films. Dabei war es uns wichtig, neben den digitalen Spielen auch Brettspiele anzubieten. Die Bücher hatten sich die Lehrer aus einer von uns zusammengestellten Auswahl ausgesucht, um sie vor dem Projekttag in der Klasse zu lesen. Aufgrund der Kürze der Zeit waren es vor allem Graphic Novels oder jugendgerechte Sachbücher. Am Projekttag selber wurden die Klassen in der Bibliothek begrüßt. Ein Teil der Klasse startete mit dem Film, während der andere Teil sich den Spielen widmete. Hier wurde darauf geachtet, dass jeder jedes Spiel zumindest „angespielt“ hatte. Nach der Mittagspause wurde gewechselt.

Spiele, die gespielt wurden.

„Valiant Hearts“ für Konsolen und Tablets (Offizielle Webseite)

„Paper´s please“, für den PC (Offizielle Webseite, englisch)

„Risiko“, Brettspiel (Offizielle Webseite)

„Bürokratopoly“, Brettspiel (Offizielle Webseite)

Film, der gezeigt wurde: „Das Leben der anderen“ (Trailer auf Filmportal.de)

Der Tag kam sowohl bei den Lehrern als auch bei den Schülern sehr gut an. Die Schüler waren sehr aufmerksam und haben hervorragend mitgearbeitet und auch die Lehrer waren sehr positiv eingestellt. Für uns sehr bemerkenswert war, dass die Schüler die Bibliothek durch dieses Projekt völlig anders wahrnahmen als zuvor. Wie in Gesprächen deutlich wurde, war die Bibliothek nun ein „cooler“ Ort. Einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat bei den Schülern vor allem das Spiel „Bürokratopoly“ sowie der Film. Die meisten Schüler gaben an, durch den Film am meisten „berührt“ worden zu sein und sich somit in die Thematik einfühlen zu können

Am Ende des Tages kamen alle zu einer Abschlussrunde zusammen. Hier wurde deutlich, dass die Schülerinnen und Schüler, wenn nicht unbedingt Faktenwissen, aber zumindest ein Gefühl für vergangene Zeiten und historische Ereignisse bekommen haben. Bei einigen schien es, als ob das gesehene und „gespielte“ noch eine ganze Weile nachhing.

Auch mit den achten Klassen wurde diese Veranstaltungsform durchgeführt. Hier waren die Themen: Umwelt, Naturkatastrophen und Ressourcenumgang.

Spiele, die hier gespielt wurden:

„Sim City Edu“, für PC (Offizielle Webseite)

„God us“, für Tablets (Offizielle Webseite)

“Siedler von Catan”, Brettspiel (Offizielle Webseite)

“Fallout Shelter”, für Tablets (Offizielle Webseite)

Film, der gezeigt wurde: „Storm Hunters“ (Trailer auf YouTube)

Aufgrund der sehr positiven Resonanz planen wir, dieses Format auch im nächsten Schuljahr wieder anzubieten. Es gibt eine Fülle von Themen, die sich hier bearbeiten lassen. Die Veranstaltungen können je nach Altersstufe entsprechend angepasst werden.

Gezeigt hat dieses Projekt für uns, dass die Erlebnishaftigkeit des Spielens eine sehr gute Ergänzung zum rein kognitiven Erfassen des Stoffes im Unterricht ist. Im Spiel wird der Schüler selbst aktiv, greift in das Geschehen ein, spürt unmittelbare Konsequenzen eines Tuns beziehungsweise eines Unterlassens. So erfährt er einen direkteren Zugang zum Thema und erlangt einen nachhaltigeren Lernerfolg.

Eva Müller, Stadtbibliothek Neuss, Juli 2015

Die Stadtbibliothek Neuss im Netz:

Webseite: http://www.stadtbibliothek-neuss.de/

Facebook: https://www.facebook.com/bibneuss

Twitter: https://twitter.com/stbneuss

[1] BIU Bundesverband interaktiver Unterhaltungsoftware, http://www.biu-online.de/de/fakten/marktzahlen-2014/infografik-nutzer-digitaler-spiele-in-deutschland.html, aufgerufen am 07.07.2015

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